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Sibelius: Sinfonie Nr. 7 C-Dur op. 105

(UA Stockholm 1924, Helsinki 1927) Bisher waren Sibelius’ Sinfonien stets in Helsinki uraufgeführt worden. Aber diese testete Sibelius zunächst in Stockholm als Fantasia Sinfonica, bevor sie in Helsinki als Siebte erklang. Hier ist alles anders: Es gibt nur einen Satz, keine Sonatenform und keine festen Themen. Alles ist in Bewegung: Die Thematik und das Tempo.…

(UA Stockholm 1924, Helsinki 1927)

Bisher waren Sibelius’ Sinfonien stets in Helsinki uraufgeführt worden. Aber diese testete Sibelius zunächst in Stockholm als Fantasia Sinfonica, bevor sie in Helsinki als Siebte erklang. Hier ist alles anders: Es gibt nur einen Satz, keine Sonatenform und keine festen Themen. Alles ist in Bewegung: Die Thematik und das Tempo. Den Rahmen – Anfang und Ende – bildet ein Adagio (A). Dazu gehört ein dreimaliges Posaunensolo (P), das wie eine moralische Instanz leuchtturmartig aus den dunklen Klangfluten ragt. Dazwischen entwickeln sich zwei turbulent steigernde Episoden: eine sinfonisch-dramatische (sdE), und eine schwingend-tänzerische (stE) mit Stretta. Dies ist das einfache Formschema: A-P-sdE-P-stE-P-A.

Auf „Fachmännisch“ heißt der Anfang: eine leise Paukeninitiale, dann eine langsam aufsteigende (C-Dur) Tonleiter in den Streichern (bei nachschlagenden Bässen) mit Crescendo zu einem akzentuierten (trugschlüssigen) as-Moll-Akkord, der chromatisch zu changieren beginn.

Dasselbe auf Expressionistisch: In der Tiefe ein Geräusch, jemand schlurft angestrengt die Stiege im Elfenbeinturm der Sinfonik herauf, lässt von oben einen dicken Farbbeutel hinunterfallen und beobachtet, wie der Klecks nach allen Seiten verläuft …

… ein archaisch kraftvoller Anfang! Zunächst ist kein Takt erkennbar, die zarten Arabesken der Holzbläser tauchen aus dem Klang auf und gehen unter; allmählich wird ein Sechsvierteltakt spürbar, der zwischen 3×2 und 2×3 wechselt – ein wogender Takt für einen fantastischen, sinfonischen Tanz!

Die sinfonisch-dramatische Episode fasziniert ohne festes Thema, aber die schwingend-tänzerische Episode ergreift durch eine herrliche Melodie. Die lange Fermate im vierten Takt dieses C-Dur-Bläserthemas (Sibelius nannte es hellenisch und die folgende Episode hellenisches Rondo) ist der Mittelpunkt der Symphonie. Der wundersame Akkord, auf dem die Fermate ruht, ist der gleiche,

auf dem zu Anfang die ersten thematischen Arabesken sich bildeten, und ist der gleiche, auf dem

am Ende sich alle Thematik auflösen wird – so stimmig ist diese wie improvisiert wirkende Musik. Es ist übrigens der gleiche Akkord (ein Subdominantquintsextakkord), der zu Anfang der Fünften die dortige lange Fermate trug, bei der Sibelius zunächst nicht weiterwusste – hier, in der Siebten weiß er sehr wohl weiter: Die Fortsetzung des hellenischen Bläserthemas in den Streichern ist hellblickend, um nicht zu sagen hellsichtig. Um dieser beglückenden acht Takte willen – mit der Fermate in der Mitte – wurde die Symphonie geschrieben, für sie müssen die Leuchttürme des Posaunenthemas helfen, die Turbulenzen davor und danach zu überstehen.

Den Höhepunkt der Symphonie – nach der dritten moralischen Posaunenkeule – bildet ein Aufbrüllen der Hörner – wie ein verwundeter Löwe: rfffz = rinfortefortissimoforzando, und die Hände der Streicher beben wie wütend auf dem Griffbrett: Largamente/Affettuoso …

In den letzten, langsamen Takten der Siebten zieht der schwere C-Dur-Bläserakkord das Thema der Violinen von D nach C hinunter, dann presst er ein dissonantes H hinauf zum C, und man hofft, dass die Dissonanz lange Widerstand leisten möge, man will die finale Konsonanz nicht – hat der Romantiker Sibelius uns in seiner letzten Symphonie süchtig nach neuer Musik gemacht?

(Mathias Husmann)

 

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