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Mozart: Sinfonie Nr. 35 D-Dur KV 385 „Haffner“

Eigentlich hätte Mozart 1782 genug zu tun gehabt. Zum Glück nahm er dennoch zähneknirschend einen weiteren Kompositionsauftrag an: die „Haffner-Sinfonie“.

vonMaximilian Theiss,

Auch ein Wolfgang Amadeus Mozart kam beruflich mal mächtig ins Schwitzen. Das endgültige Zerwürfnis mit dem Salzburger Erzbischof führte ihn 1781 nach Wien, wo er sich als freischaffender Komponist und Musiklehrer verdingte. Dort setzte er sich wieder an seine große c-Moll-Messe, schrieb ein Rondo für Violine und Orchester sowie eines für Horn und Orchester, komponierte darüber hinaus zwei Serenaden und seine „Entführung aus dem Serail“, auch sein „Leck mich am Arsch“-Kanon fiel in diese Zeit.

In diese recht stressige Schaffensphase ploppte dann auch noch ein weiterer Auftrag auf, den sein Vater Leopold vermittelte: Sigmund Haffner der Jüngere, dem Mozart schon einige Jahre zuvor eine Serenade gewidmet hatte, sollte in den Adelsstand erhoben werden – ein Ereignis, das musikalisch durch ein neues Orchesterwerk aus der Feder von Wolfgang Amadeus begleitet werden sollte. Ganz nebenbei musste Mozart übrigens seine bevorstehende Hochzeit mit Constanze Weber organisieren. Den ersten Satz des später „Haffner-Sinfonie“ bezeichneten Werkes sandte Mozart im Sommer 1782 an seinen Vater, versehen mit einem Brief, in dem er notierte: „Mein Herz ist unruhig, mein Kopf ist verwirrt.“

© gemeinfrei
Costanze Mozart, 1802

Feierlich, energisch und klangschön – die „Haffner-Sinfonie“

Im Frühling des darauffolgenden Jahres jedoch erklang das Werk erstmals im Burgtheater. Es sollte beileibe nicht die letzte Vorstellung des kompositorischen Schnellschusses bleiben. Noch heute ergreift einen ein feierliches, alles andere als unangenehmes Unbehagen, wenn die ersten Takte erklingen. Der doppelte Oktavsprung, der den ersten Satz einleitet, lässt aufhorchen, das unisono vorgetragene Thema mit seinen scharfen Punktierungen ist eindringlich. Doch ist es nicht dieses feierliche Klangbild, das verwirrt, sondern die Fünftaktigkeit des Themas. Dieses Prinzip zieht sich durch den gesamten ersten Satz: Alles ist feierlich, energisch, klangschön, und doch komponierte Mozart nachgerade subversiv für die Zuhörer klitzekleine Stolpersteine ein.

Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie Nr 35 "Haffner", S. 1
Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie Nr 35 «Haffner», S. 1

Im Mozart-Rausch

In dieser Hinsicht ist der symmetrisch aufgebaute zweite Satz ein Gegenpol dazu – der Dirigent, Komponist und Musikwissenschaftler Kurt Pahlen beschrieb den Satz einst als „Klopfen des Herzens bei einem innig bewegenden Erlebnis“. Das darauffolgende Menuett samt Trio erfreut sich in seiner Süffisanz und Beschwingtheit ganz besonderer Beliebtheit und bleibt auch dann noch im Ohr, wenn schon längst das rauschhafte Presto des letzten Satz in vollem Gange ist.

Mozart notierte einst zu seinem Werk: „Das erste Allegro muss recht feurig gehen, das letzte so geschwind, als es möglich ist.“ Ein einziger Rausch also, der weit über die zwanzig Minuten der Sinfonie hinaus anhält.

Die wichtigsten Fakten zu Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfonie Nr. 35 KV 385, „Haffner-Sinfonie“:

Satzbezeichnungen

  1. Satz: Allegra con spirito
  2. Satz: Andante
  3. Satz: Menuetto
  4. Satz: Presto

Orchesterbesetzung: 2 Querflöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, zwei Violinen, Viola, Cello, Kontrabass

Spieldauer: 20 Minuten

Die Uraufführung fand am 23. März 1783 Wiener Burgtheater statt

Referenzeinspielung

Album Cover für Mozart: Sinfonie Nr. 35 KV 385, „Haffner-Sinfonie“

Mozart: Sinfonie Nr. 35 KV 385, „Haffner-Sinfonie“

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Wolfgang Sawallisch (Leitung)
Aus: „Wolfgang Sawallisch – 8 CD-Box“

Als Gastdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BRSO) war Wolfgang Sawallisch gewissermaßen „primus inter pares“: 21 Jahre lang dirigierte der gebürtige Münchner als Generalmusikdirektor an der Bayerischen Staatsoper und schaute nicht selten beim BRSO vorbei. Nach dem Tod des Dirigenten veröffentlichte Hänssler Profil 2013 mit dieser Box einen Querschnitt dieser Zusammenarbeit. Die älteste Aufnahme stammt von 1958 mit Orffs „Antigonae“, die jüngste aus dem Jahr 1998 – mit Mozarts „Haffner-Sinfonie“. Die Sammlung offenbart die wohl herausragendste Qualität des so unglamourösen wie genialen Künstlers: Auch wenn Sawallisch als Wagner– und Strauss-Spezialist galt, konnte er mit nahezu jedem Komponisten und jedem Werk aus jeder Gattung brillieren.

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Präludium

Buchcover: Präludien für das Publikum von Mathias Husmann(UA Wien 1783) Auf Bestellung der befreundeten Salzburger Kaufmanns- und Bürgermeisterfamilie Haffner hatte Mozart schon 1776 eine Serenade für eine Hochzeit geschrieben; diesmal ging es um eine Festmusik für eine Erhebung in den Adelsstand. Mozart stand unter Zeitdruck: „Ich muß die Nacht dazu nehmen, anderst kann es nicht gehen“. Er hatte Die Entführung aus dem Serail eben hinter sich und die Vorbereitungen zu seiner Hochzeit mit Constanze Weber vor sich. Als er den ersten Satz seinem Vater schickte, schrieb er dazu: „Mein Herz ist unruhig, mein Kopf ist verwirrt.“ Kurz nach der Aufführung erbat er die Noten für eine Akademie in Wien zurück und stellte fest: „Die Haffner-Sinfonie hat mich supreniert (überrascht) – dann (denn) ich wußte kein Wort mehr davon – die muß gewiß guten Effect machen!“ Er reduzierte die Sinfonie jetzt auf vier Sätze und führte sie mit sehr gutem Effekt auf – auch der Kaiser applaudierte begeistert. Ist es nicht, als spiegelte sich in der Haffner-Sinfonie Mozarts junge Ehe? Das männlich imponierende Hauptthema des ersten Satzes Allegro con spirito mit seinem raumgreifenden Anfangsintervall (zwei Oktaven!) und seinem bestimmenden Rhythmus, der sich aber im weiteren Verlauf als sensibel und spirituell erweist, beherrscht den ganzen Satz und trägt das weiblich anmutige Seitenthema auf den Händen. Dieses – mangels eigenem Bassfundament anlehnungsbedürftig – sinkt in liebevoll gestikulierender Zweistimmigkeit dem Hauptthema in die Arme … daraus entwickelt sich eine „reife“ Schlussgruppe: Das Hauptthema wird „wesentlich“ (um die Hälfte verkürzt), zeigt sich „ernsthaft“ (in einer Moll-Variante) und kadenziert freudig. Schade, dass Vater Mozart diese Musik nicht verstand (oder verstehen wollte) und mit seinem Missmut über die Heiratspläne seines Sohnes diesem das Herz unruhig und den Kopf verwirrt machte. Im Andante beginnt das Hauptthema „artig“, nähert sich aber bald schäkernd dem tänzelnden Seitenthema. Ein klangvoller Mittelteil über dunklen Bassgängen bildet den ernsten Kontrast. Das Menuett zeigt zwei Gesichter: ein offizielles und ein schelmisches; die Pause dazwischen kaschiert – kompositorisch meisterhaft – einen harmonischen Trick: Die Tonart sackt ab – das schelmische Gesicht erscheint nicht neben, sondern unter dem offiziellen. Das Trioein schmuckes Brautlied in hellem A-Dur – hat das Zeug zu einem Schlager. Das Hauptthema des Finale presto streckt zweimal frech die Zunge heraus, dann läuft es ab – lautes Lachen folgt. Das Seitenthema – mit seinen edlen Harmonien – droht mit dem Zeigefinger, muss dabei aber selbst lächeln. Zwischen den beiden Themen dieses Rondos zucken ausgelassene Achtelfiguren wie blitzender Lebensmut … „Das erste Allegro muss recht feurig gehen“, schrieb Mozart, „das letzte so geschwind, als es möglich ist“ – viel Glück! (Mathias Husmann)
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