Großbritannien ist ein armes Land. Arm vor allem an Orchestern, wenn man es etwa mit Deutschland vergleicht: Während hierzulande ein Orchester für etwa 500 000 Einwohner spielt, müssen sich auf der Insel über sechs Millionen Menschen eines teilen. Das liegt vor allem daran, dass sich die Klangkörper dort anders als in unserem geförderten Kulturbetrieb aus eigener Kraft über Wasser halten, Sponsoren werben und ihre Budgets zu einem großen Teil aus Ticketverkäufen stemmen müssen. Die allermeisten von ihnen sind daher erst sehr jung, manche gingen auch – je nach Auftragslage und Publikumszuspruch – wieder ein. Das funktioniert schon seit dem 16. Jahrhundert nach dem Marktprinzip, und so ist kaum ein großes Insel-Orchester viel älter als hundert Jahre. Vor diesem Hintergrund ist eine Neugründung keine große Sache, schließlich standen nahezu alle britischen Orchester schon mal am Rande der Auflösung, wenn am Ende nicht doch der Staat mit Steuererleichterungen oder kostenlosen Proberäumen ausgeholfen hätte (wohlgemerkt nicht mit Subventionen).
So kam es, dass sich 1998 in der Universitätsstadt Oxford, keine hundert Kilometer vor London, ein neues Profiorchester rund um den zypriotischen Pianisten-Impresario Marios Papadopoulos gründete, der es nun seit einem Vierteljahrhundert leitet – nach britischer Lesart eine wirklich lange Tradition. Für die Universität bildet es eine Art Hausorchester, in dem auch Studenten üben oder gar mitspielen dürfen. Es engagiert sich jedoch auch für Familien, sozial Benachteiligte oder zuletzt für heimische Wissenschaftler, die an Covid-Impfstoffen forschten.
Künstlerische Weltspitze
Auf professioneller Ebene arbeitet das Oxford Philharmonic Orchestra schon seit seiner Gründung mit den Solisten der Weltspitze zusammen, die auch anderswo gern gesehene Gäste sind, und nahm – unter anderem mit dem vier Jahre hier residierenden Geiger Maxim Vengerov – mehrere Alben auf. Es pflegt eine Konzertsaison in seiner Heimatstadt, tourt durchs eigene Land, zunehmend auch über den Kanal, und gab im vergangenen Jahr sein Debüt in der Carnegie Hall.
Im Frühjahr ist es erstmalig im deutschsprachigen Raum zu erleben. Chefdirigent Marios Papadopoulos äußert sich im Vorfeld: „Ich freue mich sehr, mit dem Oxford Philharmonic Orchestra auf unsere erste Tournee nach Deutschland zu gehen und unser Debüt im Musikverein in Wien zu geben. Wir haben bereits bei früheren Gelegenheiten in Oxford sehr gerne mit Martha Argerich zusammengearbeitet, so dass es eine besondere Gelegenheit sein wird, mit ihr für unsere ersten Konzerte in München und Heilbronn auf Tournee zu gehen, insbesondere für Beethovens erstes Klavierkonzert, das wir mit Mozarts Jupiter und Mendelssohns Hebriden verbinden werden. Das Mendelssohn-Violinkonzert mit Maxim Vengerov im Februar war das Kernstück unseres Festkonzerts zum 25. Geburtstag im Barbican, und im März wird Bomsori Kim als Solistin des gleichen Konzerts auf unserer früheren Deutschlandtournee und bei unserem Besuch im Musikverein zu erleben sein. Wenn Sie bei einem dieser Konzerte nicht dabei sein können, hoffen wir, Sie in Oxford begrüßen zu dürfen, wo wir unsere reguläre Saison im historischen Sheldonian Theatre abhalten, in dem seinerzeit sowohl Händel als auch Haydn zu Gast waren.“