Gute Biografen sollten auch Psychologen sein, über ausgeprägte Empathie und Neugierde verfügen, keine Angst vor Nähe zur von ihnen beschriebenen Persönlichkeit haben und dabei dennoch nicht in Überhöhung verfallen. Julia Glesner erfüllt diese Voraussetzungen in besonderem Maße. Man merkt ihrem Buch über einen der signifikantesten Opernintendanten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Faszination für diesen Mann an, dem sie in den letzten Jahren seines von einer Krebserkrankung gezeichneten Lebens so nahe kommen durfte wie wohl nur wenige Menschen.
Die drei Stationen von Peter Jonas
Die Gespräche mit Sir Peter Jonas offenbaren das ganze seelische und geistige Spektrum dieses schillernden Opernverrückten, der die Brüche und Traumata seiner Herkunft mit enormem Fortune fruchtbar machte. Natürlich zeichnet die Autorin die drei großen beruflichen Stationen des Peter Jonas detailliert nach: die Zeit beim Chicago Symphony Orchestra, die als Lehrjahre begannen und in seiner ersten Führungsaufgabe mündeten; die Ära als Direktor der English National Opera in London, die er als Triumvirat von Gleichgesinnten gestaltete; schließlich die legendären Intendantenjahre an der Bayerischen Staatsoper in München, die dem Haus mit Händel einen neuen Hausgott neben Wagner und Strauss bescherten, die gewohnte musikalische Exzellenz mit dem Regietheater versöhnten und den hehren Kunsttempel unter dem Motto „Oper für alle“ zu einem Haus für alle machten.
Zur spannenden, ja aufregenden und berührenden Lektüre wird die Biografie aber in den Exkursen, in denen Glesner den Menschen, somit den liebenden, den Freundschaft schenkenden und den sterbenden Sir Peter jenseits seiner beruflichen Rollen erforscht. Einziger Wehrmutstropfen ist das schlampige Lektorat, das sich der renommierte Insel Verlag erlaubt.