Dass Mauricio Kagel nicht der lustige Vogel war, auf den seine Werke bei oberflächlicher Beschäftigung schließen lassen, ist schon lange bekannt. Er selbst hat es ja gesagt: „Mein Humor ist jene dialektische Waffe, die ich brauche, um meinen tiefen Ernst zu relativieren.“ Dass er aber auch ein Pascha und Egomane war und sich die Familie Kagel in vielem nicht von den spießigen Krauses, Krügers oder Kasupkes in der Bundesrepublik unterscheidet, davon erzählen die sehr persönlich gehaltenen Erinnerungen seiner Tochter Deborah Kagel. Sämtliche Alltagsangelegenheiten überließ der berühmte Avantgarde-Komponist seiner Frau, der bildenden Künstlerin Ursula Burghardt-Kagel, die letztlich die eigene Karriere hintanstellte. Sie chauffierte ihn und ging für ihn sogar Kleidung kaufen, da er keine Zeit dafür übrig hatte.
An der Oberfläche
Allerdings plätschern diese Erinnerungen, die oft zur Abrechnung geraten, vorwiegend von Anekdote zu Anekdote. Bis auf einiges Namedropping gibt es auch enttäuschend wenige Einblicke in die aufregende künstlerische Aufbruchszeit seit den 1960er-Jahren in Köln und anderswo. Wenn, dann ziemlich oberflächliche. Mehr Tiefe erhalten die Darstellungen aus den letzten Lebensjahren der Eltern. Wobei es hier bei den gesundheitlichen Gebrechen wiederum zu viel des Intimen ist. Erkenntnisreich ist an diesem Buch eher das, was zwischendurch kurz aufscheint, etwa die schockierenden Einblicke in den alltäglichen Antisemitismus, der den Kagels noch Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg begegnete.