„Liebste Fenchel“, so hat Felix Mendelssohn seine große Schwester gerne angeredet – und so hat Peter Härtling auch seine fiktive Künstlerbiografie über die 1805 in Hamburg geborene Fanny Hensel betitelt.
Zeitlebens stand die Komponistin im Schatten ihres jüngeren Bruders Felix, obwohl sie zu einer der interessantesten Frauen der Musikgeschichte zählt. In vielen kurzweiligen Episoden gibt Härtling in einer Mischung aus Fiktion und Realität Einblicke in das Leben der bedeutsamen jüdischen Familie Mendelssohn, die mit ihren vier Kindern unter dem Druck des aufkommenden Antisemitismus in Berlin lebt. Im Mittelpunkt des Porträts steht die enge Geschwisterliebe, die in Wirklichkeit von der Rivalität der beiden hochbegabten Kinder überschattet wurde. Peter Härtlings Fanny hingegen ist überaus tugendhaft und beinahe schon ein wenig zu selbstlos, kennt sie doch keine Neidgefühle und stellt sich gerne in den Schatten ihres Bruders, der schon mit neun Jahren sein erstes Konzert gab.
Ohne großes Pathos: Liebste Fenchel
In seiner typisch ruhigen Erzählweise und ohne großes Pathos beschreibt Härtling Fannys immer wieder aufkeimendes Aufbegehren gegen die Unterdrückung ihrer Leidenschaft – sowohl der Bruder als auch der Vater stellen sich entschieden gegen ihre kompositorischen Ambitionen. Künstlerisch entfalten kann sie sich erst, als Felix nach England aufbricht. Fanny ruft ihre Sonntagsmusiken im Hause Mendelssohn ins Leben, bei denen sie ihre Kompositionen aufführt. Damit schafft sie sich Raum für ihre eigene Kreativität und lädt regelmäßig andere Künstler ein, darunter häufig auch Personen des Hochadels und Zeitgrößen wie Liszt, Heine oder Goethe.
Mit seinen liebevollen Beschreibungen von Fannys Ehe, der gemeinsamen Italienreise und ihrem frühen Ende schürt Härtling die Lust, Fannys Werke gleich selbst nachzuhören.