Gemäß dem griechischen Philosophen Aristoteles soll die Tragödie beim Zuschauer durch das Schaudern eine seelische Reinigung evozieren. Tragödien zeigen zudem, wie ein ethisch guter Charakter aufgrund eines Irrtums in sein unausweichliches Unglück gerät. Der Mythos um die Athener Königin Phaidra ist geradezu ein Paradebeispiel eines solchen Dramas: Durch einen göttlichen Zauber wird Phaidra in den Selbstmord getrieben. Daraufhin nimmt ihr Ehemann Theseus, motiviert durch falsche Hinweise und Anschuldigungen, Rache am verdächtigten Sohn.
Eine der bekanntesten literarischen Adaptionen dieses Mythos stammt von Jean Racine. Dessen „Phèdre“ inspirierte nicht nur Jean-Philippe Rameau zu „Hippolyte et Aricie“, sondern 1786, knapp fünfzig Jahre später, auch Jean-Baptiste Lemoyne zu seiner Version des mythischen Stoffs. Sein Gespür für Expressivität und Dramatik verhelfen dem damals erst 25-jährigen Komponisten zu großem Erfolg.
Die deutsche Erstaufführung am Badischen Staatstheater Karlsruhe bildet den Auftakt zu einer Programmreihe mit unbekannterem französischem Opernrepertoire.
Patrick Erb