Warum trug Duke Ellington so oft weiß? Und wie kam es, dass Louis Armstrong eine Parodie auf die amerikanische Nationalhymne ausführte, in der das Wort „motherfucking“ mindestens zweimal vorkommt? Was war los, als Billie Holiday „nicht schwarz genug war, um in einer amerikanischen Band zu spielen“, was der weiße Autor eine „bizarre Verkehrung von race discrimination in Nachschwärzung“ nennt.
Peter Kemper liefert detailgenaue Darstellungen
Peter Kemper hat ein spannendes, wichtiges Werk vorgelegt, das mit hoher Wahrscheinlichkeit für Genrationen zum schmalen Kanon wirklich guter Literatur über Jazz gehören wird. Kemper ist Journalist genug, um Atmosphären der Jazz-Schauplätze Amerikas ohne Legendenverklärung zu beschreiben. Er geht der Performance ihrer Interpreten nach und er untersucht deren Bipolarität zwischen Bestätigung von Zuschreibungen, künstlerischer Prägung und Rebellion durch Musik, Klang, Texte. Dabei berücksichtigt Kemper die subtilen Verflechtungen zwischen Selbstdarstellung und Erwartungshaltung. So skizziert er, wie das ,echte‘ Musik-Harlem sich nach kurzer Zeit an die Wunschvisionen weißer Trendsetter anschmiegte und der legendäre Dschungelsound durch akademisch erworbene Kenntnisse der europäischen Kunstmusik optimiert wurde.
Im Schlusskapitel werden die Zeichenhaftigkeit und Ausdrucksvoraussetzungen des Jazz als tönendes Mittel der Wahrhaftigkeit gegen den Rassismus vor allem der weißen Vorherrschaft in den Vereinigten Staaten erörtert. Damit lassen sich Kempers detailgenaue Darstellungen und Methodik auf andere Sparten der Musik übertragen. Musikliteratur also mit Weitblick!
The Sound of Rebellion. Zur politischen Ästhetik des Jazz
Peter Kemper
Reclam, 752 Seiten
38 Euro