Ist Arnold Schönbergs Shoah-Mahnmal „A Survivor from Warsaw“, das in einer Sporthalle in New Mexico zur Uraufführung gelangte, der fehlende dritte Akt seiner Oper „Moses und Aron“? Welche Hoffnungen und Absichten Schönbergs stecken überhaupt in diesen beiden Kompositionen? Und wie verhält es sich genau mit Richard Strauss’ Haltung zum NS-Regime? Wie war die Zusammenarbeit zwischen ihm und dem jüdischen Schriftsteller Stefan Zweig ab 1933? Was sind die vielfältigen Hintergründe, die Benjamin Brittens „War Requiem“ und die Sinfonie Nr. 13 „Babi Jar“ von Dmitri Schostakowitsch prägen? Inwiefern waren beide Komponisten in mehrfacher Hinsicht Wesensverwandte? Diese und viele weitere Fragen behandelt Jeremy Eichler in „Das Echo der Zeit. Die Musik und das Leben im Zeitalter der Weltkriege“. Der Autor, Musikkritiker beim Boston Globe und promovierte Historiker zeigt an vier Komponisten und ihren Kontexten auf, wie sich die Geschichte mit all ihren Verwerfungen in Musik einschreibt. Seine zentrale These: „Die Kunst behält im Gedächtnis, was die Gesellschaft gerne vergessen würde.“
Jeremy Eichler erzählt sensibel und persönlich
Eichler zeigt Dichotomien und Analogien auf, spitzt diese in seiner Argumentation anschaulich und schlüssig zu. Seine Darstellungen sind äußerst differenziert, sie schürfen tief, er liefert scharfsinnige Beobachtungen und Schlussfolgerungen. Gleichzeitig behandelt Eichler, der ein brillanter Erzähler ist (Lob der Übersetzung von Dieter Fuchs), seine Themenkomplexe sensibel und durchaus persönlich. Ein klug geschriebenes Buch, das einem sehr nah kommt. Nach der Lektüre sieht und hört man anders. Genau der richtige Lesestoff in diesen Zeiten reizüberfluteter Geschichtsvergessenheit.