Nur rund die Hälfte? Warum nicht alle? Aus Scheu? Noch nie hat Fazıl Say Musik von Frédéric Chopin aufgenommen. Nun legt er eine CD ausschließlich mit Nocturnes vor – eben nur rund die Hälfte. Und die Höreindrücke drängen die Frage auf: warum keine Gesamtaufnahme? Denn Say hat viel zu sagen. Die Zartheit seines Anschlags, die eruptiven Zwischenpassagen, die Gewichtung der einzelnen Stimmen, der leicht tänzerische Gestus (in op. 9 und Nr. 3), der singende Diskant – all das sind untrügliche Zeichen, wie genau sich Say mit dieser Musik auseinandergesetzt hat. Gut, über die eine oder andere samtige Passage mit intensivem Pedal-Gebrauch könnte man streiten, doch das geschieht offenbar aus tiefer Überzeugung. Says überwiegend sanfter Ton erinnert an die Einspielung mit Nelson Freire, er deutet diese Werke fast durchweg mit einer gewissen Scheu, poetisch, entrückt, still, subtil emotionsgeladen.
Chopin: Nocturnes Nr. 1-6, 8, 9, 11, 13-15, 19-21
Fazıl Say (Klavier)
Warner Classics