Schreien deutsche Biographen über deutsche Geistesgrößen, dann neigen sie zum Polarisieren: Zwischen devoter Denkmalpflege und bösartigem vom Sockel-Stoßen gibt es kaum je die unaufgeregt profunde und einfühlsame Betrachtung, die auf Primärquellen fußt, statt Stereotypen älterer Sekundärliteratur wiederzukäuen. Ein neues Wagner-Buch ohne politisch korrekte Antisemitismuskeule wird hierzulande entweder verschwiegen oder vernichtet. Der Blick des amerikanischen Forschers Bryan Gilliam auf Richard Strauss ist hingegen ein Musterbeispiel der Ausgewogenheit und der Anschaulichkeit. Da ist ein Autor zu den Quellen zurückgewandert, durch Leben, Werk und Zeitgeschichte hindurchgegangen, um uns den Komponisten hernach auf gut 200 Seiten so viel näherzubringen, als es manchen Kollegen selbst in dicken Wälzern kaum gelingt. Enorm erhellend ist die Darstellung der Jugendjahre, in denen Strauss, der angebliche Wagner-Epigone, durch den akkuraten Brahms mehr geprägt wurde denn durch den rebellischen Bayreuther Meister, dessen Schopenhauer-Faszination mit ihrer Lebensverneinung und Metaphysik-Verzückung Strauss zu Nietzsche trieb, dessen fröhlicher Agnostizismus seiner Persönlichkeit so viel mehr entsprach. Wunderbar klare Worte findet Gilliam für die hohe Komplexität des Richard Strauss, den bürgerlichen Künstler der Moderne, den karrierebewussten Dirigenten in hellen wie in braunen Zeiten, den verantwortungsvollen Familienmenschen. Vor allem lässt der Autor die Beziehungen zu Weggefährten lebendig werden. Eine hoch spannende, gewinnbringende Lektüre.
CD-Rezension Bryan Gilliam
Bürgerlicher Magier der Moderne
Spannende und gewinnbringende Lektüre: Bryan Gilliams einfühlsame Biographie des Jubilars Richard Strauss
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„Was bin ich schon ohne das Orchester?“
Für den britischen Dirigenten Jonathan Darlington ist Respekt eine Voraussetzung für erfolgreiches Arbeiten.
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