Kaum ein anderes Musikerpaar wurde von der einschlägigen Biografik derart romantisch überhöht gezeichnet wie Clara und Robert Schumann. Kein Wunder, mussten die beiden das Recht auf ihre heiß ersehnte Ehe doch gerichtlich erkämpfen, nachdem Claras Vater, Friedrich Wieck, den Bund ihrer Liebe über Jahre zu verhindern gesucht hatte. Welche Liebe könnte besser ins Bild der (musikalischen) Romantik passen? Christine Eichel setzt nun für ihr Buch „Clara“ die feministische Brille des 21. Jahrhunderts auf, nennt den Gegenstand ihrer Betrachtung im Untertitel zuspitzend „Künstlerin, Karrierefrau, Working Mom“ – die Rolle als Roberts Ehefrau taucht hier zunächst gar nicht auf.
Eichel diagnostiziert einen krassen Geschlechter- und Konkurrenzkampf
Psychologisch exzellent geschult liest die Journalistin die bekannten Quellen neu. Das sind zumal die zahlreichen erhaltenen Briefe und das Ehetagebuch der Schumanns, von dem sie beide wissen mussten, dass es der Nachwelt erhalten bleiben und die Wahrnehmung der Nachgeborenen prägen würde: Positive Selbstinszenierung und bewusste Stilisierung der Beziehung werden da der Wahrheit beim Schreiben nicht immer zuträglich gewesen sein. Daher fokussiert sich Eichel nun nicht mehr – wie viele andere Biografen – auf „sehnsuchtsvoll schmachtende Passagen der Korrespondenz“, sondern spürt die bitteren Zwischentöne abseits davon auf. Hier diagnostiziert sie einen krassen Geschlechter-, dann sogar Konkurrenzkampf zweier tragisch aneinander geketteter histrionischer Persönlichkeiten, die eine „gesteigerte Sucht nach Lob und Anerkennung“ aufwiesen. Histrioniker neigen, so Eichel, dazu, „Beziehungen viel intensiver, viel enger wahrzunehmen, als es durch die Realität gerechtfertigt wäre. Sie leben und lieben gewissermaßen im Paralleluniversum ihrer Tagträume.“ Die vorherrschende Deutung einer romantischen Liebe muss da zusammenbrechen: „Hier geht es um zwei Menschen, deren Defizite sich komplementär ergänzen.“
Psychologisch plausibel, aber einseitig interpretiert
Man folgt Eichels spannender, flüssig und pointiert geschriebener Argumentation gebannt, manche „Szenen“ lesen sich wie ein Roman, ja wie ein Krimi. Und doch zeugt ihre Perspektive von einer Voreingenommenheit: Eichel will die Liebe des Künstlerpaars entzaubern, koste es, was es wolle. So psychologisch plausibel das Buch über weite Strecken wirkt, so einseitig interpretiert die Autorin doch auch, wenn sie mit dem zeitgeistigen Jargon der Gegenwart toxische Männlichkeit und weibliche Selbstermächtigung gegeneinander ausspielt. Ihr feministischer Blick gibt sich aufklärerisch, bleibt aber seinerseits so angreifbar wie die verengende Überhöhung von Clara und Robert zu „dem“ Traumpaar der Romantik.
Clara. Künstlerin, Karrierefrau, Working Mom: Clara Schumanns kämpferisches Leben
Christine Eichel
Siedler, 432 Seiten
25 Euro