Autobiografien haben einen großen Vorteil: Näher kommt man an einen Künstler nicht heran, denn schließlich schreibt er über sich selbst. Autobiografien haben aber auch einen großen Nachteil: Wenn ein Künstler über sich selbst schreibt, kann er sich so darstellen, wie er wahrgenommen werden will. Schattenseiten können aufgehellt, Skandale verschwiegen oder beschönigt, Streitigkeiten banalisiert werden. Was bleibt, ist der schöne Schein.
Ganz so extrem hat es der Tenor und Vorzeige-Wagner-Interpret René Kollo in seiner Autobiografie nicht auf die Spitze getrieben. Aber an einigen Stellen wurde doch ganz schön herumgebügelt, um sich selbst in einem besseren Licht darzustellen. So geht Kollo etwa nur recht knapp auf seine Schlagerkarriere ein und konzentriert sich vor allem auf seine Opernerfolge im großen Fach. Dass er nebenbei immer mal wieder Ausflüge ins Unterhaltungsgefilde machte, kommt kaum zur Sprache. Ebenso wird der eine oder andere Streit mit Dirigenten wie Karajan oder Bernstein arg beschönigt dargestellt. Selbiges gilt auch für seine legendäre Tannhäuser-Absage bei den Bayreuther Festspielen – knapp eine Stunde, bevor sich der Premierenvorhang heben sollte.
Bühnentriumphe und Kulturkritik
Das Glattbügeln des eigenen Images ist ebenso schade wie verständlich. Es liegt nun mal in der Natur des Menschen, dass man sich selbst bestmöglichst präsentieren möchte. Und dazu gehört bei René Kollo ganz eindeutig der Sprung vom Schlagersänger zum Heldentenor, der in den großen Wagner-Partien an den großen Opernhäusern der Welt und vor allem in Bayreuth Triumphe feierte.
Aber auch Kollos streitbares Gemüt blitzt zwischen den Zeilen immer mal wieder auf. Nicht unbedingt bei den beschönigten Konfliktpassagen mit Dirigenten, wohl aber bei den immer wieder auftauchenden Gagen-Verhandlungen mit Intendanten. Und erst recht, wenn René Kollo offene und direkte Worte zum aktuellen Kulturbetrieb im Allgemeinen und zum Zustand der Oper im Speziellen findet. Da ist der Tenor alles andere als optimistisch, sieht die Oper sterben und die Kultur verflachen, stimmt in schönsten Tönen à la „früher war alles besser“ einen Abgesang an, ohne dabei probate Lösungsvorschläge zu liefern. Schade, dass er da nicht den Deckel zu einem Fass liefert, dass er selbst aufmacht. Da wären weitere unterhaltsam-glatte Ausflüge durch sein langes Künstlerleben doch angenehmer gewesen.
René Kollo – Mein Leben und die Musik
272 Seiten
Lau Verlag