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Buch-Rezension: Laurenz Lütteken – Mozart

Auf hohem Niveau

Lüttekens Mozart-Buch ist nichts für Einsteiger. Wer aber fundiertes Vorwissen mitbringt, dürfte an der intellektuellen Herausforderung Freude haben

vonNicolas Furchert,

„… setze ich als bekannt voraus“ ist einer jener Halbsätze, die vor allem Studenten der Geisteswissenschaften ins Schwitzen bringen kann. Was muss ich bis nächste Woche an Literatur verinnerlicht haben, um dem Seminar folgen zu können? Laurenz Lüttekens Buch „Mozart. Leben und Musik im Zeitalter der Aufklärung“ jedenfalls setzt eine Menge voraus. Den Lebenslauf Mozarts sollte man ebenso nicht nur im Hinterkopf, sondern möglichst präsent haben wie die wichtigsten Werke.

Das Buch ist also keinesfalls etwas für Einsteiger. Wer sich jedoch privat oder wissenschaftlich mit Leben und Werk bereits beschäftigt hat, findet in sieben Kapiteln viele neue und interessante Aspekte, und zwar vor allem der Lebensumstände. Lütteken, ein profunder Kenner der gesamten geisteswissenschaftlichen Strömungen der Mozartzeit, untersucht vor allem die rund zehn Jahre, die Mozart in Wien verbracht hat.

Mozart und die Aufklärung

In dieser Zeit, die von den großen Reformen (und Reformversuchen) Josephs II. geprägt wird, sei insbesondere in Wien eine ganz neue und fast einmalige Art der Liberalität zu finden. Dieses Lebensgefühl habe nicht nur Mozart, sondern jede Menge Künstler geradezu magisch angezogen. Josephs Reformeifer habe dabei am Ende übers Ziel hinausgeschossen und sei nach seiner Blütezeit letztlich an sich selbst gescheitert. Doch nicht nur die politischen Verhältnisse, auch die geistesgeschichtlichen Auseinandersetzungen der Zeit werden ausführlich beleuchtet.

Dabei geht es vor allem um den zentralen Widerspruch zwischen Aufklärung, die hier einen absoluten Höhepunkt erreicht, und der Kunst. Wesen der Aufklärung ist es, „das Leben“ im weitesten Sinn mit Kriterien der Vernunft und Logik zu erklären. Dazu gehören Bereiche der Politik, der Naturwissenschaft bei gleichzeitiger Abkehr vom Glauben und damit von der Religion, aber auch der Kirche als Institution. Die Kunst und deren Wirkung dagegen sei eben nicht rational erklärbar. Das zeige sich vor allem im Bereich der Musik, die als abstrakteste Kunstform am schwierigsten zu greifen sei. Hier kommt Mozart, der bereits mit den zahlreichen Reisen als Kind eine absolute Sonderstellung einnimmt, als mit Abstand bedeutendster und auch durchaus von sich selbst überzeugter Komponist in den Fokus.

Mozart und das liebe Geld

Man erfährt von Mozarts Geldgebern, die überwiegend dem Adel entstammten, obwohl er sich selbst nur aufgrund seiner Fähigkeiten in diese Kreise integrieren bzw. – so Lütteken – sogar sich selbst zum Mittelpunkt machen konnte. Aber man erfährt auch Manches über die Werke. Warum etwa der „Figaro“ einer der wenigen Fälle für die mehr oder weniger abgeschafften Zensurbehörde war oder warum das Finale in einem Garten spielt. Oder auch warum „Così fan tutte“ in Neapel spielt, Fiordiligi und Dorabella aber Adelige aus Ferrara stammen.

Schließlich sei noch zu beobachten, dass Mozart im Gegensatz zu Zeitgenossen eher wenig Briefe geschrieben habe, weil für ihn die Auseinandersetzung vor allem im Gespräch stattgefunden habe. Die Frage schließlich, warum Mozart, der als freischaffender Komponist höchst erfolgreich war, plötzlich Geldsorgen bekam, wird fast nebenbei mit den Schulden begründet, die nicht Mozart selbst, sondern Joseph II. mit seinen zahlreichen Kriegen machte und die damit die ganze Wiener Gesellschaft trafen.

Hohes intellektuelles Niveau

Lütteken schreibt gut verständlich, aber auf hohem intellektuellen Niveau. Wem der eine oder andere erwähnte Name zu wenig sagt, kann sich im immerhin 25 Seiten umfassenden „Biographischen Index“ genauer informieren. Dazu gibt es neben Anmerkungen und Literaturverzeichnis auch ein Personenregister.

Dass die Rechtschreibung über 20 Jahre nach der Reform den „alten“ Regeln folgt, wirkt etwas anachronistisch.

Mozart. Leben und Musik im Zeitalter der Aufklärung
Laurenz Lütteken
296 Seiten
C.H. Beck

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