Wohl kaum eine andere Person des klassischen Musiklebens ist auf dem Buchmarkt so präsent wie Maria Callas. Nachdem erst im letzten Jahr Eva Gesine Baur ihr Buch über das Leben der legendären Diva assoluta herausbrachte, erscheint in diesem Jahr, pünktlich zum 100. Callas-Geburtstag, das entsprechende neue Werk von Arnold Jacobshagen – und der schlägt tatsächlich einen ganz anderen Weg ein. Jacobshagen unterteilt sein Buch in drei Teile: Leben, Kunst und Mythos. Der letzte Aspekt ist jener, der gemeinhin die meiste Aufmerksamkeit auf sich zieht, haben doch unzählige Mythen, Legenden, Skandale, Intrigen und Tragödien das Image der berühmten Sopranistin über Jahrzehnte geprägt und verzerrt.
Von dieser Herangehensweise distanziert sich Jacobshagen als renommierter Musikwissenschaftler deutlich: „Der Werdegang der Sängerin wird regelmäßig als eine Passionsgeschichte beschrieben, und ihr Schicksal identifiziert man gern mit den übermenschlichen Tragödienfiguren, die sie vornehmlich verkörperte“, schreibt er. Er selbst beruft sich stattdessen auf Fakten und Tatsachen ohne romantisierende Ausschweifung und hinterfragt kritisch alles Sagenhafte. Dieser keinesfalls ernüchternde, sondern gut recherchierte sachliche Blickwinkel zeigt die großartige Maria Callas aus einer eher selten eingenommenen Perspektive: nicht als fleischgewordene Tragödienfigur, sondern als einen Menschen, der mit dem Leben ringen musste und der wunderbare Musik gemacht hat.
Maria Callas – Kunst und Mythos
Arnold Jacobshagen
Reclam, 367 Seiten
25 Euro