Die Spannung entsteht vom Übergang des ersten langen Akkordes zu den sprudelnden Läufen: Man hat das Gefühl einer minimalen Verzögerung, bevor die Girlanden einsetzen, perlend im Anschlag, behutsam dosiert im Pedal, mündend in ein resolutes erstes Fortissimo. Das vierte der Impromptus bringt am Ende von Anna Vinnitskayas reinem Chopin-Album nochmal alle Facetten zur Geltung, insbesondere das Moment des Erzählens! Vinnitskaya kann sich jederzeit auf ihren flexiblen Anschlag verlassen, der es ihr erlaubt, Melodien schweben, schnelle Bewegungen elegant fließen zu lassen und im entscheidenden Moment auch energisch zuzupacken. Vor allem aber lässt sie sich, wie am Beginn der ersten Ballade, auch immer wieder Zeit, um Luft zu holen, anzutäuschen, vorzubereiten. Die Pianistin zeigt Chopin mehr von seiner zarten Seite, die Ausbrüche sind dosiert und umso heftiger. Ein überlegtes, berührendes Album.
Chopin: Balladen Nr. 1–4, Impromptus Nr. 1–3 & Fantaisie-Impromptu
Anna Vinnitskaya (Klavier)
Alpha