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Porträt Tschechische Philharmonie

Der Tradition verpflichtet

Die Tschechische Philharmonie bricht mit ihrem neuen Chefdirigenten Semyon Bychkov zielstrebig in Richtung Zukunft auf.

vonJohann Buddecke,

Ein frischer Wind weht in der Prager Altstadt am Ufer der Moldau. Nicht nur auf dem Platz vor dem altehrwürdigen Rudolfinum, der im Stil der Neorenaissance erbauten Spielstätte der Tschechischen Philharmonie, auch beim Orchester selbst stehen die Zeichen auf Neuanfang. Dennoch befindet sich der Traditionsklangkörper, den schon Antonín Dvořák und Gustav Mahler dirigierten, seit Jahren auf Erfolgskurs. Längst hat sich das Orchester einen internationalen Ruf erarbeitet – vor allem mit dem Repertoire seiner Heimat.

Tschechische Philharmonie: Wunschkandidat am Pult

Der Grund für die Aufbruchstimmung ist Semyon Bychkov, der als neuer Mann am Pult des Orchesters seit Beginn der Spielzeit 2018/19 die musikalischen Zügel in den Händen hält. Bychkov ist kein Unbekannter in Prag. Mehrfach arbeitete er bereits als Gastdirigent mit der Tschechischen Philharmonie zusammen. Ein Wunschkandidat. Und was zunächst höchst ungewöhnlich klingt, wird im Orchester als große Bereicherung gesehen: Bychkov ist kein Tscheche. „Die Tschechische Philharmonie besteht fast ausschließlich aus hiesigen Musikern“, erklärt David Mareček, Generaldirektor des Rudolfinums. „Es ist wichtig für uns, unsere tschechische Identität mit unserem Repertoire zu wahren.“ Doch Mareček geht es neben der Pflege langjähriger Traditionen vor allem darum, in Zukunft auch mit nicht-tschechischen Werken internationale Wirkung zu erzielen. Man ist sich sicher, dass der gebürtige Sankt Peters­burger Semyon Bychkov für diese Aufgabe als international gefragter Dirigent die ideale Besetzung ist.

Semyon Bychkov dirigiert die Tschechische Philharmonie
Semyon Bychkov dirigiert die Tschechische Philharmonie © Marco Borggreve

„Wir sind so etwas wie das National­orchester des Landes“, ergänzt Orchestermanager Robert Hanč. „Mit Semyon Bychkov haben wir nun die Chance, über die Werke Dvořák und Smetanas hinaus zu blicken und uns auch einen Ruf neben unserem Stammrepertoire zu erarbeiten – natürlich ohne die Orchestertradition zu vergessen.“ Die Traditionspflege bezieht sich bei dem 1896 aus dem Orchester des Prager Nationaltheaters hervorgegangenen Klangkörpers vor allem auf den von Václav Talich begründeten Orchesterklang. Das bestätigt auch Konzertmeister Jiří Vodička. „Es ist das Kolorit der Streicher, das dieses Orchester so besonders macht.“ Nicht grundlos werden zahlreiche Aufnahmen des Klangkörpers mit Werken Dvořák oder Smetanas mit Referenzstatus gehandelt. Seinen heutigen Ruf und vor allem das musikalische Niveau verdankt die Tschechische Philharmonie ihrem vorherigen, 2017 verstorbenen Chefdirigenten Jiří Bělohlávek, der während seiner Zeit die Zahl der Abonnenten vervierfachte.

Bewahren, nicht verjüngen

Die Ausgangsposition, ein neues Orchester-Zeitalter einzuleiten, ist also mehr als günstig. Wie man diesen Weg beschreiten möchte, steht bereits fest: „Wir wollen keine Verjüngungskur für das Orchester“, erklärt Hanč. Man möchte vielmehr die Stärken, die man sich in der Vergangenheit erarbeitet hat, bewahren und gleichzeitig aus der Wahrnehmung hervor­treten, bloß als Spezialisten für tschechische Musik zu gelten. Dieser Herausforderung sind sich alle Beteiligten bewusst. Semyon Bychkov selbst ist überwältigt von der Energie, die im Orchester steckt. „Ich bin sehr glücklich, hier arbeiten zu können, und blicke positiv in die Zukunft.“ Getreu dem Motto: gestärkt durch die Tradition, das neugesteckte Ziel vor Augen.

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