Über mangelnde Anerkennung kann sich Tamás Pálfalvi nicht beklagen. Am Vorabend unseres Gesprächs kommt der 26-jährige Trompeter gerade von seinem letzten Konzert der europäischen Serie „Rising Stars“ aus Barcelona zurück. Pálfalvi war in der vergangenen Spielzeit im Programm der European Concert Hall Organisation in diesem Jahr der ungarische „Abgeordnete“. Davor erhielt er bereits zahlreiche Preise, in Deutschland etwa den Fanny Mendelssohn Förderpreis.
In der einen Hand ein Kornett, in der anderen ein Flügelhorn
Dennoch: Die größte Anerkennung für Pálfalvi ist zur Zeit, dass er zum Lieblingstrompeter seines Landsmanns Peter Eötvös geworden ist. „Peter wurde auf mich aufmerksam, als ich in seiner ungarischen Meisterklasse für Komponisten und Dirigenten spielte.“ Pálfalvi war sozusagen das Versuchskaninchen, die Kandidaten mussten ihn dirigieren. „Danach hat Peter immer mich gefragt, wenn er einen Trompeter brauchte“, berichtet Pálfalvi stolz. Für die „Rising-Stars“-Abende mit dem Pianisten János Palojtay hat der große ungarische Komponist extra ein Solostück für Tamás Pálfalvi geschrieben – ein Stück für zwei Instrumente gleichzeitig: Eötvös und Pálfalvi interessieren sich für unterschiedliche Klangfarben auf engstem zeitlichen Raum. Pálfalvi muss dafür zugleich ein kleines Kornett und ein Flügelhorn in den Händen halten. Es bleiben ihm für die jeweiligen Ventile nur zwei Finger – die virtuosen Läufe schrieb Altmeister Eötvös dann genau für diese Finger, was das Ganze zwar spielbar, aber nicht eben leicht macht.
Spielen auf mehreren Instrumenten gleichzeitig – der Traum eines Trompeters? Nun ja, oft erliegen Trompeter einer Faszination für die schiere Materialität ihrer Instrumentensammlung. Viele von ihnen haben einen ganzen Keller vollgestopft mit Instrumenten unterschiedlichster Hersteller, Stimmungen, Größen und Epochen, nochmal ein Vielfaches an Mundstücken sowie Dämpfer aller Formen und Farben. Diese kostspielige Neugier jenseits der Musik selbst ist auch Tamás Pálfalvi nicht fremd. „Man verlässt sich zu sehr auf das Material – vor allem dann, wenn man nicht genug Zeit hat, das eigentliche Stück vorzubereiten.“ Weil die Musik aber für Tamás Pálfalvi das Wichtigste ist, baut er sich seinen Terminkalender mit größter Behutsamkeit. Und trotz der vielen Anfragen, die er mittlerweile als internationaler Solist hat, zieht er sich zum Studium der neuen, modernen Trompetenliteratur, die er so liebt, gerne mal in das Haus seiner Eltern im nordungarischen Salgótarján zurück.
Verinnerlicht das Abwägen jeder Note: Tamás Pálfalvi
Derzeit studiert er ein Trompetenkonzert von André Jolivet – ein moderner Klassiker des Repertoires und eine Musik, vor deren technischen Schwierigkeiten auch gestandene Trompeter in nahezu jedem Takt gehörigen Respekt haben. „In der Schule habe ich dieses Konzert auch schon gelernt – doch jetzt muss ich es noch einmal Note für Note durchgehen und die schlechten Angewohnheiten von damals ausbügeln.“ Das Leo Weiner Musikgymnasium in Budapest scheint eine Keimzelle der neuen europäischen Blechbläserei zu sein: Bei den Berliner Philharmonikern, am Leipziger Gewandhaus, der Staatskapelle Weimar und beim hr-Sinfonieorchester Frankfurt spielen ehemalige Schüler dieser Schule, auch die phänomenale Barocktrompeterin Fruszina Hara lernte bei den gleichen ungarischen Meistertrompetern wie Tamás Pálfalvi. „Vormittags lernten wir Mathe und Geschichte, nachmittags gab es Trompetenunterricht, Ensemblespiel und Konzerte: Das nächste Stück durfte man erst spielen, wenn man das vorige auswendig vorspielen konnte.“
So hat Tamás Pálfalvi gelernt, ein Stück in kürzester Zeit zur Konzertreife zu bringen. Die Zeit, die er spart, ist mittlerweile wertvoll: Er will sie auch mit seinem bald einjährigen Sohn verbringen. Die Gefahr der Oberflächlichkeit und des Termindrucks droht dennoch nicht: Tamás Pálfalvi hat das Abwägen jeder Note – singend, mit dem Mundstück und erst am Ende auf der Trompete spielend – tief verinnerlicht. „Was in meinem Kopf noch schwierig ist, ist ein Problem. Aber nichts ist schwierig, wenn man durch Üben den Weg findet, es sich leicht zu denken.“
Tamás Pálfalvi spielt George Gershwins „Rhapsody in Blue“: