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Sommerreihe: Starke Frauen – Barbara Strozzi

Komponistin für die eigene Stimme

Der Venezianerin Barbara Strozzi gelang, was kaum eine Frau im 17. Jahrhundert von sich behaupten konnte: Sie hat als Komponistin Karriere gemacht. Ihr von Musik erfülltes Leben war in vielerlei Hinsicht besonders

vonWolfgang Wagner,

Ein schwülwarmer Abend im Venedig des 17. Jahrhunderts. Die Mitglieder der Accademia degli Unisono, allesamt aus der intellektuellen Oberschicht der Lagunenstadt, haben sich in ihren Gondeln zum Haus des Librettisten Giulio Strozzi rudern lassen. Bei der letzten Zusammenkunft hatte die begnadete Sängerin Barbara Strozzi, um derentwillen die Akademie überhaupt gegründet wurde, die Frage gestellt, ob die Mittel der Natur, wie beispielsweise Tränen, oder solche der Kunst, etwa die der Musik, die besseren Waffen in der Liebe seien.

Man ist gespannt darauf, was sie zu sagen hat. Und kaum ist sie selbstsicher vor ihr Publikum getreten, da lässt sie auch schon verlauten: „Ich kann nicht an eurem Entschluß zweifeln, meine Herren Accademici: Ihr habt die Frage zugunsten des Gesangs entschieden. Ich weiß sehr wohl, daß ich nicht die Ehre eurer Anwesenheit erhalten hätte, wenn ich euch letztes Treffen eingeladen hätte, mich weinen zu sehen anstatt singen zu hören.“ Dann geht es weiter wie gewohnt – die Strozzi macht keine halben Sachen und wenn sie sagt, dass sie singt, dann singt sie. Sogleich hebt ein bisher unbemerkt gebliebener junger Musiker sein Spiel auf der Theorbe an und nach einigen einleitenden Takten flutet ihre Stimme den Saal: Jetzt wissen in der Tat alle, warum sie gekommen sind.

Barbara Strozzi geht ihren Weg zum Opus 1

So, oder so ähnlich, können wir uns einen Abend im Leben Barbara Strozzis vorstellen. 1619 in Venedig geboren wächst sie als uneheliche Adoptivtochter des Dichters Giulio Strozzi auf. Weil der Vater die Operntexte für die bedeutendsten Komponisten der Zeit schreibt, verkehren Persönlichkeiten wie Claudio Monteverdi in ihrem Elternhaus. Und so bleibt ihr hohes musikalisches Talent nicht unentdeckt.

Dass sie eine angemessene Ausbildung erhält, ist aber eine höchst seltene und glückliche Ausnahme in ihrer Zeit, in der Frauen ein fundiertes Studium der Musik im Gegensatz zu ihren männlichen Zeitgenossen meist verwehrt bleibt. Doch Barbara Strozzi erteilt niemand geringeres als Francesco Cavalli Kompositionsunterricht und 1644, da ist sie gerade 25 Jahre alt, erscheint schließlich eine Madrigalsammlung als ihr Opus 1. Mit dieser Veröffentlichung war sie Teil des öffentlichen Musiklebens geworden und machte in den beiden folgenden Jahrzehnten Karriere in einer Männerdomäne.

Eine Frau schreibt Musikgeschichte

Barbara Strozzi. Gemälde von Bernardo Strozzi ca. 1630-1640
Das Gemälde von Bernardo Strozzi zeigt vermutlich die Musikerin und Komponistin Barbara Strozzi, ca. 1630-1640 © gemeinfrei

Leider wissen wir nicht viel über Strozzi, doch das Wenige regt die Fantasie an. Wie sie ausgesehen hat, ist unklar, denn bis heute hat sich nicht zweifelsfrei klären lassen, ob auf dem einzigen überlieferten Gemälde „Die Gambenspielerin“ des Malers Bernardo Strozzi, wirklich Barbara Strozzi zu sehen ist. Abgebildet ist eine tief dekolletierte Dame in roten Rock, die rötlich-lockigen Haare umspielen, geschmückt von einem Rosenzweig, das markante Gesicht. In der Hand hält sie ihr Instrument, die Gambe, zu ihrer Rechten befindet sich eine Partitur. Für die Echtheit des Bildnisses spricht, dass der Maler auch Monteverdi porträtiert hat und somit in denselben Kreisen verkehrte wie die Komponistin selbst.

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Auch das Privatleben Barbara Strozzis ist wenig dokumentiert und wirft Fragen auf. Bekannt ist, dass sie vier Kinder zur Welt brachte, allesamt unehelich. Drei davon gingen wohl aus einer Affäre mit Giovanni Paolo Vidmann hervor, einem Freund des Vaters, der verheiratet war und vierzehn Jahre älter als sie. Als unverheiratete Frau mit unehelichen Kindern an der Hand blieb Strozzi neben ihrer Gesangskarriere und ihren Kompositionsbemühungen als Verdienstmöglichkeit lediglich, sich als ehrenwerte Kurtisane zu verdingen und damit den Lebensunterhalt für sich und die Kinder zu bestreiten.

Obwohl die Anregungen aus der Berufstätigkeit ihres 1652 verstorbenen Vaters und der rege Austausch mit den großen Opernkomponisten der Stadt es nahelegen, hat Barbara Strozzi kein Bühnenwerk geschrieben. Ihr überliefertes Schaffen, mit einem starken Schwerpunkt auf weltlicher Vokalmusik, Kantaten, Arien und Madrigalen, besteht aus mehr als 125 Werken, die sie in acht Bänden veröffentlicht hat. Obwohl dabei zwar ersichtlich ist, dass sie in erster Linie für den Eigenbedarf schrieb, hat sie durchaus kompositorische Innovationen geleistet. Schon der Komponist der legendären „Beggar’s Opera“, Johann Christoph Pepusch, hielt fest, dass ihr die Verknüpfung von Rezitativ und Arie zu verdanken sei.

Die Strozzi-Renaissance

Dennoch sind ihre Leistungen lange in Vergessenheit geraten. Erst 1999 haben Forschungen von Beth Glixon belegen können, dass Barbara Strozzi 1677 in Padua verstorben ist. Inzwischen sind ihre Werke aber editorisch erschlossen worden und in zahlreichen Einspielungen verfügbar. Ein Geheimtipp ist sie also verdienterweise schon seit Jahren nicht mehr.

Hören Sie hier „Che si può fare» von Barbara Strozzi:

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