Ihr musikalisches Talent wurde bereits an der Charkower Musikschule für begabte Kinder gefördert. Am Sankt Petersburger Konservatorium, neben dem Moskauer Konservatorium eine der bedeutendsten Musikhochschulen in Russland, studierte sie Komposition. Dort hat Olga Viktorova auch ihren Mann Dmitry Liss kennengelernt. „Ich hatte gerade ein neues Werk fertiggestellt und brauchte für dessen Aufführung noch einen Sänger“, erzählt sie mit ruhiger und angenehm hoher Stimme. Ihr Russisch klingt perlend und selbst schon fast wie Musik. „Dmitry war zwar nicht begeistert, aber hat sich mir zuliebe darauf eingelassen.“
Ein Nein hätte sie wahrscheinlich auch nicht gelten lassen. Denn obwohl Viktorova mit ihrem mädchenhaften, fast scheuen Lächeln ausgeglichen und friedlich wirkt, weiß sie ganz genau, was sie will – und auch, wie sie es durchsetzen kann. Und genau diese Willensstärke hat schon so manchen Dozenten wie auch Künstler zur Verzweiflung gebracht: Klänge, die unmöglich scheinen, bringt sie zum Vorschein. Überall horcht sie in die Welt hinein und saugt alles in sich auf. Schon seit vielen Jahren koordiniert sie vermehrt Projekte, die Klänge mit visueller Kunst und neuer Technologie miteinander verbinden.
Olga Viktorova gewann 2012 den Komponistenpreis des Berliner Festivals „Young Euro Classic“
Doch von Anfang an. Olga Viktorova kam am 22. September 1960 in der Ukraine zur Welt. Es war eine Zeit, in der sich die Intellektuellen vermehrt für eine Aufwertung der ukrainischen Sprache einsetzten und in der sich gleichzeitig Tendenzen einer „Russifizierung“ in den Schulen sowie in den Medien verstärkten.
Seit 1996 bis heute ist sie Mitglied der Union der Komponisten in Russland. Die Lehre stand und steht für Viktorova gleich an zweiter Stelle hinter der Komposition eigener Werke: Von 1995 bis 2016 lehrte sie Komposition, Geschichte und Musiktheorie am Staatlichen Konservatorium Ural, der Universität für Geisteswissenschaften und am Swerdlowsker Tschaikowsky-Musikkolleg, wo sie das New Music Ensemble der Swerdlowsker Philharmonischen Gesellschaft gründete. Für ihre Komposition „Lux aeterna“, die vom Ural Youth Symphony Orchestra aufgeführt wurde, erhielt sie 2012 den Komponistenpreis des Berliner Festivals „Young Euro Classic“.
Olga Viktorova und Dmitry Liss sind ein ideales Team
Die Verbindung des Privaten mit dem Beruflichen ist bei Olga Viktoriva keine Seltenheit. So spielt auch ihr Ehemann Dmitry Liss nicht nur privat eine wichtige Rolle in ihrem Leben, sondern auch in ihren und für ihre Kompositionen. Er ist Chefdirigent des Ural Philharmonic – das übrigens eine bemerkenswert hohe Frauenquote aufweist. Ihm sind die Eindrücke aus Nantes noch in reger Erinnerung, als das Orchester im Rahmen von „La Folle Journée“ täglich bis zu drei Konzerte mit unterschiedlichen Programmen spielte. Unter den dargebotenen Werken war auch die Uraufführung des groß angelegten Oratoriums „Exodus“ für Sprecher, Chor und Orchester, komponiert von seiner Frau als Auftragswerk des Festivals.
Das Oratorium basiert auf dem Buch Exodus Kapitel 1-15, dem Auszug aus Ägypten, der die Israeliten aus der Sklaverei des ägyptischen Pharaos retten sollte. „Der Exodus ist ein Symbol der Befreiung, die auf die Verwirklichung spiritueller Bemühungen zurückzuführen ist“, erklärt Viktorova. „Das Oratorium besingt die Befreiung, die zu einer Erneuerung der Lebensenergie führt und die Öffnung zu neuen Ufern, gar zu einer neuen Welt ist.“
Vor allem die Aufführung in Japan sei ein ganz besonderes Ereignis gewesen, wie sich die Komponistin lächelnd erinnert: „Der Text wurde ins Japanische übertragen und direkt in die Partitur eingefügt. Das sah sehr kunstvoll aus, aber am Schluss konnte ich kaum mehr erkennen, was Schriftzeichen und was Noten waren. Zum Glück aber hatten wir noch unsere Sprecherin, die unglaublich tolle Arbeit geleistet hat und viel dazu beigetragen hat, dass die Aufführung ein voller Erfolg wurde.“
Hören Sie Olga Viktorovas großes Orchesterwerk „Towards the Rhythm“: