Es kann klagen, es kann auftrumpfen, es kann lyrische Melodien bis ins Mark dringen lassen, aber es kann auch unheimlich nerven – leider ist letzteres Vorurteil häufig das bestimmende, wenn es um das Saxofon geht. In Kaufhäusern, Aufzügen und anderer Nebenbeimusik ist das 1840 erfundene Instrument, das trotz seiner Messingbauweise wegen des Rohrblatts zur Familie der Holzbläser gehört, allgegenwärtig. Im Jazz haben unzählige renommierte Solisten dem Saxofon ein lärmendes, grooviges Image verpasst.
Dass das Saxofon ursprünglich in der Klassik zu Hause war, aber kaum Zeit hatte, sich dort durchzusetzen, ist eher wenig bekannt. Da es von dem Franzosen Adolphe Sax konstruiert wurde, ist es kein Zufall, dass Georges Bizet, Maurice Ravel, Claude Debussy und einige andere seiner Landsleute als erste die lyrischen Qualitäten des Instruments für sich nutzten. Auch Richard Strauss erkannte die Wandelbarkeit des edlen Timbres. Doch bis heute steht in den Partituren, dass bei Nichtverfügbarkeit das Saxofon durch Klarinetten zu ersetzen sei, was zeigt, dass es in die klassische Orchesterbesetzung nie Einzug gehalten hat; maximal als zweites Pflichtinstrument wird es heutzutage von Klarinettisten verlangt.
Noch immer kein fester Bestandteil der Klassik
Asya Fateyeva, mit gerade einmal 27 eine der wenigen aufstrebenden Solistinnen auf dem Saxofon, will diesen Mangel beheben. „Mein Instrument ist nicht zu schlecht für den sinfonischen Klang, es ist einfach nur zu jung“, sagt die auf der Krim geborene Kosmopolitin mit Verve. „Adolphe Sax hat damals schon eine erste Klasse am Pariser Konservatorium geleitet, die aber aus Geldmangel eingestellt wurde“, berichtet Fateyeva. Die Zeiten haben sich also gar nicht geändert. „Wegen ihrer klanglichen Vorprägung haben die Leute sofort einen Klang im Kopf, das Saxofon gehöre gar nicht in die Klassik, das ist ein bisschen lustig.“ Also will Fateyeva, die Jazz zwar gerne hört, aber für völlig andere Musik hält („weil dort äußerst unterschiedliche Klangvorstellungen herrschen“), etwas Neues anbieten. Weil es nur wenig originale klassische Sololiteratur gibt, möchte sie neue Werke in Auftrag geben und adaptiert fleißig berühmte Solostücke für ihr Instrument, von denen sich allerdings nicht alle eignen: „Verliert das Werk durch die Neubesetzung an Substanz, mache ich es nicht.“
Die Gewinnerin zahlreicher Wettbewerbe – 2014 gewann sie etwa als erste Frau beim renommierten belgischen „Concours International Adolphe Sax“ einen Preis – kam eher zufällig zum Saxofon. „Ich habe mit Klavier angefangen, als ich sechs Jahre alt war. Obwohl meine Eltern selbst nicht viel mit Musik zu tun hatten, unterstützten sie mich, wo sie konnten. Als ich zwölf war, hat sich mein Vater selbst ein Saxofon gekauft, ich habe es probiert und war sofort davon fasziniert, wie man mit Luft einen Klang erzeugen und unterschiedlichste Stimmungen hervorrufen kann“, erinnert sich Asya Fateyeva schmunzelnd. „Dann habe ich es ihm weggenommen und wollte studieren.“ Über Stationen in Moskau, Köln, Paris und Lyon kam sie schließlich nach Hamburg, wo sie ihren Masterabschluss machte. Nach ihren frühen Wettbewerbserfolgen erhielt sie nicht nur zahlreiche Stipendien, sondern spielt seitdem auch regelmäßig mit großen Orchestern.
Asya Fateyeva: Klänge, die man dem Saxofon gar nicht zutraut
Inzwischen wirbt Asya Fateyeva fast schon missionarisch für die Qualitäten ihres Instruments. „Das Saxofon wirkt fast wie ein Spiegel meiner Seele. Es ist sehr vielseitig und geradezu chamäleonhaft anpassungsfähig.“ So würden sich manche Menschen im Publikum oft wundern, wenn sie das Instrument hören, weil sie dem Saxofon so unterschiedliche Klänge gar nicht zugetraut hätten. Einen zusätzlichen Vorteil birgt die Vielfalt der unterschiedlich hoch gestimmten Instrumente: Zwischen Sopran und tiefster Basslage sind alle Register vertreten. „Das ist wie eine Großfamilie“, lächelt Asya Fateyeva, „aber ich bin keine alleinerziehende Mutter.“
Asya Fateyeva bei den Aufnahmen zu ihrem aktuellen Album „Bachiana“: