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Porträt Petr Popelka

Von der Bassgeige ans Pult

Petr Popelka hat steil Karriere gemacht und geht nun als designierter Chefdirigent mit den Wiener Symphonikern auf Tournee.

vonChristian Schmidt,

Wenn einer erst mit zwölf Jahren lernt, Kontrabass zu spielen, nur sieben Jahre später seine erste Orchesterstelle hat und mit 24 stellvertretender Solokontrabassist in der Sächsischen Staatskapelle wird, dann muss er irgendwie ein besonderes Talent haben. Petr Popelka – zu Deutsch: Aschenputtel – schoss wie Phönix aus der Asche an den Musikhimmel und gab zehn Jahre nach seiner Anstellung in Dresden die eigentlich rentensichere Anstellung auf, um Dirigent zu werden.

Das medial aufgepappte Etikett „Shootingstar“ lässt den heute 38-Jährigen trotzdem kalt, „weil es damit, was ich mache, wenig zu tun hat“. Schon als Kind versuchte sich der Tscheche an eigenen Kompositionen und dürstete nach dem Wissen, was die musikalische Welt im Innersten zusammenhält. „Der Wunsch zu dirigieren erwachte gleichzeitig mit meinen ersten eigenen Stücken zum Leben.“ Noch in seiner relativ kurzen Orchesterlaufbahn legte er sich neben die einzeln geführte Kontrabass-Stimme immer öfter auch die Partitur, las in den Proben mit und erlernte von den Großen seiner Zunft, die er täglich erleben durfte, wie sie arbeiteten und sich dem Orchester am besten verständlich zu machen suchten.

Weit gereist

Mit der Erfahrung eines Orchestermusikers ausgestattet, verhalfen ihm mehrere Zufälle und auch ein bisschen Glück zur ersten Dirigiererfahrung, die vorläufig gekrönt war, als er zum ersten Mal in der Semperoper vor zwei Jahren „Die Nase“ im großen Haus leiten durfte – ein Lieblingsstück eines seiner Hausgötter Dmitri Schostakowitsch. Schon vorher hatten ihn einige Gastdirigate nach Leipzig, Zürich und Amerika geführt. Er nahm Chefpositionen in Oslo und beim Rundfunkorchester in Prag an, wo er nur wenige Jahre zuvor in seine erste Stelle als Kontrabassist eingetreten war.

Popelkas Geheimnis liegt indes genau in der Unauffälligkeit seiner auffälligen Karriere: Die freundliche Gemütsruhe des gleichwohl sehr genauen Arbeitstiers liegt fernab von jeder Despotie: „Die Zeit des Kapellmeisters mit der harten Hand, die ich in Prag noch selbst erlebt habe, ist definitiv vorbei.“ Nach seinem Rezept für eine erfolgreiche wie behutsame Orchestererziehung auf Augenhöhe gefragt, zitiert Popelka bedacht eines seiner Vorbilder Georg Solti: „Man kann die ganze Zeit nur freundlich appellieren.“

Mit dem Orchester eine gemeinsame Sprache finden

Dass Petr Popelka aus eigenem Erleben versteht, wie ein Orchester tickt und was es braucht – „ein gutes Orchester will gut sein und arbeiten“ –, hilft ihm nun selbst enorm dabei, die richtigen Worte und Gesten zu finden, um die eigenen Ideen zum Klingen zu bringen. „Es sollte dabei immer um die Sache gehen, nie um das eigene Ego.“ Im Gegensatz zu früher, wo man sich bis zu fünf Mal vor Konzerten zusammenfand, gibt es heutzutage im Extremfall nur zwei Proben. Da muss rasch eine gemeinsame Sprache gefunden werden, sonst nützt dem Dirigenten auch das in den letzten zwanzig Jahren enorm gewachsene Niveau der Musikerpersönlichkeiten nicht viel.

Einen Vorteil bietet da, wenn man das Glück hat, kontinuierlich als Chefdirigent mit einem Orchester zusammenzuarbeiten. Nach drei Konzerten, in denen Petr Popelka bei den Wiener Symphonikern in den letzten Jahren kurzfristig einsprang, war das Klima „in kreativer Atmosphäre“ und nach übereinstimmender Wahrnehmung sofort so gut, dass sich die Wiener Musiker den jungen Tschechen als Nachfolger für Andrés Orozco-Estrada wünschten und er für fünf Jahre unterschrieb. Glücklich war er darüber schon deswegen, weil das Orchester auch drei Produktionen pro Saison im Theater an der Wien spielt und auch im Sommer bei den Bregenzer Festspielen Oper macht, die Popelka aus seiner Dresdner Zeit vermisst.

Noch bevor er in der neuen Saison sein Amt antritt, geht er mit seinem Orchester auf Deutschlandtournee. Dort ist neben Strauss auch das Cellokonzert seines Landsmanns Antonín Dvořák zu erleben. Im Repertoirebetrieb möchte er sich in den nächsten Jahren vor allem an Bartók, Mahler und Schumann abarbeiten und Aufträge für neue Werke vergeben: „Wir leben hier von öffentlichem Geld, so dass es unsere Pflicht ist, die Kunst von heute zu fördern. Denn wer sollte das sonst machen, wenn nicht wir?“

Album-Tipp

Album Cover für Mozart: Sinfonien Nr. 39 & 40

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