Klare Kriterien, die ein „Bungalow“ erfüllen muss, gibt es nur wenige. Eingeschossig ist er in aller Regel und mit einem flachem Dach versehen. Doch gilt der Bungalow trotz seines rein auf das Funktionale ausgerichtete Erscheinungsbildes nicht als Häuslein des kleinen Mannes, sondern soll eine unauffällige, zurückhaltende Noblesse ausstrahlen. Ludwig Erhardt wählte also aus gutem Grund diese Gebäudeform, als er während seiner Zeit als Wirtschaftsminister den Bau einer Residenz für den Bundeskanzler in Auftrag gab. Als antimonumentalistisches Statement sollte das Gebäude die kompromisslose bundesdeutsche Bescheidenheit widerspiegeln.
„Absurdes Bauwerk“
Ob der Bau nun mit seinen klaren Linien und seiner großen Fensterfront zeitlose Eleganz der sechziger Jahre ausstrahlt oder schlicht ein zu kühl geratenes Symbol bundesrepublikanischer Spießigkeit darstellt, darüber scheiden sich damals wie heute die Geister. Ludwig Erhard, bei der Schlüsselübergabe inzwischen zum Bundeskanzler und damit zum ersten Bewohner des Hauses avanciert, lobte den Bau so leidenschaftlich wie ungelenk als „dem Wesen meiner Frau und mir gemäß“. Kohl indes nannte es ein „absurdes Bauwerk“, Konrad Adenauer meinte, der Architekt verdiene zehn Jahre Zuchthaus. Und Willy Brandt zog erst gar nicht ein, sondern blieb lieber in seiner Dienstvilla des Auswärtigen Amtes, die er zuvor schon als Außenminister bewohnte.
Konzerte im Kanzlerbungalow
Doch am Ende adelten historische Ereignisse den Bungalow, der nicht nur als Privatrefugium für den Kanzler fungierte, sondern auch für Empfänge und politische Begegnungen vorgesehen war: Staatsoberhäupter gingen hier ein und aus, 1978 fand der G7-Weltwirtschaftsgipfel in den eher bescheiden bemessenen Räumlichkeiten statt, und in den späten achtziger Jahren wurde hier die deutsche Einheit ausgehandelt. Und am Ende gab’s stets ein „Familienfoto“ vor der Glasfront des Bungalows, um die deutsche Bescheidenheit für die Welt zu dokumentieren. Seitdem die Bundesregierung in Berlin sitzt, ist der Kanzlerbungalow unbewohnt. Inzwischen steht das Gebäude, für das die Bundeskanzler übrigens eine monatliche Miete an den Bund abführen mussten, für die Öffentlichkeit zur Besichtigung offen, auch Veranstaltungen und Konzerte finden hier statt.