Wenn Harriet Krijgh ihr Violoncello beschreiben soll, verfällt sie nicht in die sonst übliche Theatralik der Selbstvergessenheit, mit der manche ihrer jungen Kollegen eine eheähnliche Beziehung zu ihrem Instrument behaupten, wobei ihres immerhin von Giovanni Paolo Maggini aus dem Jahre 1620 stammt. „Mit niemandem verbringt man so viel Zeit, aber es lebt nicht, es hat nichts Menschliches, sondern ist bestenfalls ein Teil von mir, und wenn es mal nicht funktioniert, gebe ich mir die Schuld.“ Solche Sätze sagt Harriet Krijgh gern, aber doch völlig unaufgeregt, uneitel, sympathisch selbstkritisch. Sie sprechen für die ihr eigene Bescheidenheit, mit der sich die 25-jährige Cellistin, die in Holland geboren wurde und in Wien aufwuchs, einen nicht unerheblichen Ruhm erarbeitet hat.
Dabei wirkt ihre Karriere nicht von falschem Understatement verhüllt, nur um dann im Scheinwerferlicht umso heller zu strahlen. Krijgh kommt komplett ohne Allüren aus, ohne die üblichen PR-Floskeln von großer Inspiration, ewig währenden Glücksmomenten und unbändiger Publikumsliebe. „Für mich ist das Wichtigste, mit meiner Musik zu berühren, etwas zu bewirken und weiterzugeben.“ An ihren Interpretationen merkt man Harriet Krijgh diesen fast anachronistischen Anspruch an, Musik in ihre historischen und biografischen Zusammenhänge zu stellen, nicht um jeden Preis mit Schönheit auftrumpfen, sondern „Seele auf die Bühne bringen“ zu wollen, wie sie es nennt.
So wählte die junge Holländerin mit dem feuerroten langen Haar und den strahlend blauen Augen für ihr Debüt im Wiener Musikverein, der wohl kaum an jeden Mittzwanziger gleich eine eigene Solokonzertreihe vergibt, nicht etwa die großen Eindruckschinder, sondern ausgerechnet ein Werk des auch in Österreich nur als gequälten Anfängerpianisten bekannten Komponisten Dmitri Kabalewski. Er spielte im sowjetischen Komponistenverband seinerzeit nicht gerade eine rühmliche Rolle, als es um die politischen Konflikte mit Schostakowitsch und Prokofjew ging. Diese politische Inkorrektheit, die anderen Komponisten gern nachgesehen wird, versperrt bis heute den Blick auf das reiche sinfonische Schaffen Kabalewskis. Krijgh wollte gerade deshalb seine Musik spielen, und sie durfte. Mit solcherlei Eigenwilligkeit verblüfft sie nicht nur ihr Publikum, sondern treibt auch manchem Kritiker die Schweißperlen auf die Stirn.
Sensationen finden in aller Stille statt
Krijgh sucht nicht den glitzernden Effekt. Ihr Spiel ist zurückhaltend, fast introvertiert – und lenkt doch gerade dadurch den Blick auf die in der Musik enthaltene Emotionalität in ganz andere Bahnen. Die Solistengeste mit stocherndem Bogen und wirrem Haar ist ihr fremd, was nicht heißt, dass sie ihrem Instrument nicht auch weite Bögen entlocken und runde, klagende Kantilenen verströmen würde. Ihr subtiles Spiel zeigt jedoch den feinen Unterschied zwischen Beeindrucken und Fesseln. Die Sensationen finden in aller Stille statt, und wenn es erforderlich ist, kann Krijgh mit einem dreifachen Piano an der Hörbarkeitsgrenze einem dadurch besonders konzentrierten Auditorium das Blut in den Adern gefrieren lassen, um es Sekunden später wieder zum Kochen zu bringen.
All das ist aber keine Masche, sondern tief empfunden und immer gut begründbar. Wenn sie spielt, ist Spannung garantiert, und zwar ganz im ursprünglichen Sinne des Wortes. Das hat viel mit Harriet Krijghs eigener Empfindsamkeit, aber auch mit ihrem Gestaltungswillen zu tun. Je weniger man glänzen will, desto heller strahlt man. Dabei war sie „kein Wunderkind, es war keine rasante Entwicklung“. Viel eher ergab sich der Erfolg natürlich. „Ich habe sehr lange an mir selbst gearbeitet und angefangen mit kleinen Konzerten, erst dann ist das alles sehr schön aufgeblüht” – was für ein wunderbares Bild aus dem Land der Tulpen.