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Porträt Gabriel Feltz

Gemeinsam wachsen

Gabriel Feltz, neuer GMD am Theater Kiel, hat schon viele Stationen hinter sich. Doch liegt ihm nichts ferner als Sprungbrett-Mentalität.

vonRoland H. Dippel,

Er agiert pragmatisch, zeigt eine fast einschüchternde Produktivität und hat dazu künstlerische Visionen. Im Gespräch kann man mit dem Dirigenten Gabriel Feltz ohne Umwege auf thematische Kerne zusteuern. Gerade packt er seine Koffer, wechselt von der Position des Generalmusikdirektors der Dortmunder Philharmoniker nach Kiel.

Gabriel Feltz ist umtriebig. In Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt beginnt der 53-jährige seine fünfte Position als Generalmusikdirektor. Vor Dortmund war er in gleicher Aufgabe bei den Stuttgarter Philharmonikern und beim Philharmonischen Orchester Altenburg Gera. Bereits an diesen Orten prägte er die Klangkörper mit einer Profilierung der unauffälligen Art, deren Wirkung sich nach einigen Spielzeiten jeweils desto nachdrücklicher entfaltete. Resultat einer solchen Hartnäckigkeit ist zum Beispiel Feltz’ Gesamteinspielung aller Mahler-Sinfonien: Begonnen in Stuttgart, finalisiert in Dortmund. Ein ähnlicher Kraftakt war zum Beethoven-Jubiläum die Aufführung von dessen neun Sinfonien in einem Zwölf-Stunden-Marathon. Die Dortmunder Philharmoniker und Feltz’ anderes Orchester – die Belgrader Philharmoniker – wechselten sich dabei ab. „Beethovens Sinfonien haben eine musikalische Gesamtdauer von etwa sechseinhalb Stunden,“ sagt der Dirigent und widerspricht damit der Unterstellung eher eines sportiven Musikaktes als einer genuin künstlerischen Leistung: „Zu Beethovens Zeit war der Konzertbetrieb in der Planung schneller und dynamischer. Vielleicht deshalb entstanden damals so viele bis heute gültige Meisterwerke. Das Hören und Erleben wirkte damals spontaner und lebendiger, aber nicht oberflächlicher.“

Mit sachlichem Understatement

Wenn Feltz von Beethoven und Mahler spricht, kommt der Dirigent mit dem pfeilscharfen Zeitmanagement mehrfach zu Anliegen wie „metaphysische Transzendenz“ und „metaphysische Kontinuität“. Man glaubt ihm die Sehnsucht nach dem konzentrierten Versenken an einem Geistesort der Musik, wo er und die Menschen an den Instrumenten ganz allein mit den Werken sind. Feltz gehört gewiss nicht zu Stars, die Positionen als Karrieresprungbrett betrachten und schon weitergezogen sind, bevor sie mit ihrem musikalischen Umfeld zusammenwachsen konnten. „Wenn man acht Jahre für die Halbwertzeit einer künstlerischen Chefposition annimmt, bin ich nach zwölf Dortmunder Spielzeiten definitiv überreif“, sagt er mit sachlichem Understatement. „Es kommt der Moment, an dem Orchester und Dirigent einander sehr gut kennen, sich die Wünsche von den Lippen lesen und deshalb gegenseitige Impulse zwangsläufig weniger werden.“ Das kann auf ganz hohem Niveau geschehen – etwa in einer „Lohengrin“-Vorstellung, bei der Daniel Behle auch dank der sensiblen Dirigierleistung Feltz’ seinen fulminanten Wechsel ins lyrische Heldenfach begann und es mit der gerühmten Elsa von Annette Dasch zu einem feingeschliffenen Schlagabtausch kam.

Das fünfte Element

In Zeiten größerer Wahlmöglichkeiten für das Publikum und einer wachsende Konkurrenz durch Streamingdienste stellt sich für Feltz in Kiel die Frage nach einer optimalen Programmgestaltung. Feltz setzt in den Sinfoniekonzerten seiner ersten Kieler Spielzeit einen Zyklus der „fünf Elemente“. Fünf? Aus Werken mehrerer Epochen über Feuer, Wasser, Luft und Erde entsteht als Überbau die von Feltz gern angeführte „metaphysische Transzendenz“. Neben Überraschungen (so Debussys „La Mer“ nach langer Abwesenheit vom Kieler Konzertprogramm) gibt es Werke von Komponistinnen und Komponisten wie Tan Dun, Sofia Gubaidulina, Kaija Saariaho und Tōru Takemitsu. Feltz gestattet sich die Freiheit des Ausreizens aller Möglichkeiten zwischen der von ihm favorisierten klassischen Moderne und Gegenwart. „Wie brauchen nicht zu viele Denkverbote“, sagt er in Hinblick auf die Gestaltung eines optimalen Spielplans. „Die Freiheit der Künste, ihre stellenweise Ambivalenz und Frivolität, sind für das Leben generell und für unsere Daseinsberechtigung als Musiker essenziell.“

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