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Der Violinist Pekka Kuusisto im Porträt

Wie die Luft zum Atmen

Pekka Kuusisto wurde die Musik von Sibelius in die Wiege gelegt. Bis heute fühlt sich der Geiger der künstlerischen Tradition seines großen Landsmanns verpflichtet

vonBurkhard Schäfer,

Selbst wenn sich die Finnen geografisch als kleines Land begreifen, eilt ihnen in Europa der Ruf voraus, eine der größten Musiknationen des Kontinents zu sein. Kein Wunder also, dass in diesem Jahr – 2017 feiert Finnland das 100-jährige Jubiläum seiner staatlichen Unabhängigkeit – noch viele Überstunden auf all die fleißigen Botschafter ihres Landes zukommen. Auch auf Pekka Kuusisto, der von seinem ganzen Habitus her geradezu als „idealtypischer Finne“ durchgehen könnte.

Dass er ein dirigierender und komponierender Geiger wurde, war bei seiner familiären „Vorbelastung“ quasi unausweichlich: „Mein Vater kommt aus einer sehr musikalischen Familie. Schon mein Großvater war Präsident der Sibelius-Akademie und ein ernster Musikpädagoge, Organist und Komponist. Mein Vater wollte sich abgrenzen und entschied sich, Seemann zu werden und mit dem Schiff die Welt zu erkunden. Aber dann endete er doch wieder der Musik wegen in New York. Der Jazz und die Improvisation schlugen ihn zu sehr in ihren Bann. Am Ende wurde er Profimusiker und Hobby- Seemann.“ Kuusisto bekam von seinem Vater die Liebe zur Improvisation mit auf den musikalischen Weg. Ein Weg, dessen frühe Prägung der 1976 geborene Finne jeden Tag bei seiner Arbeit spürt: „Solange ich Musiker bin, bin ich von diesem Geist umweht.“

Ein Künstlerleben im Zeichen Sibelius’

Pekka Kuusisto
Pekka Kuusisto © Kaapo Kamu

Der Name des finnischen Musik-Übervaters lässt ihn bei seiner Arbeit niemals los: 1995 gewinnt Kuusisto als erster Finne in Helsinki den Ersten Preis beim Internationalen Sibelius-Wettbewerb für die beste Interpretation des Sibelius-Violinkonzerts. Sein Studium nimmt er an der Sibelius-Akademie auf. „Wenn man wie ich die Musik dieses Übervaters schon in der Wiege hört, ist es unmöglich, ihn zu vermeiden.“ Und ohne jede Spur von Arroganz fügt er hinzu: „Ich bin mir sicher, dass ich als Kind schon viele Passagen seines Violinkonzerts rein aus dem Gedächtnis hätte spielen können, ohne überhaupt die Noten zu kennen.“ Und was bedeutet dem 40-Jährigen das Konzert heute? „Es ist wie die Luft zum Atmen und dabei gleichzeitig wie ein edles Menü. Ich werde das Konzert so lange spielen, wie ich meine zehn Finger noch bewegen kann.“

Dabei verbindet sich dieser sichere musikalische Ausgangshafen mit einer faszinierenden Weltoffenheit und einer in viele Richtungen aufgeschlossenen geistigen Durchdringung. Ganz im Sinne Sibelius’, der nicht nur zuhause die charakteristische Form der finnischen Kunst definiert hat, sondern dafür durch Europa reiste, um nach Eindrücken und Inspirationen zu suchen. So wandelt Pekka Kuusisto auch in diesem Punkt auf den Pfaden seines großen Landsmanns: „Was mir im Moment sehr am Herzen liegt, ist die Verschmelzung von finnischer Musik, elektronischen Sounds und Improvisationen mit Bezug zum Jazz.“ Kürzlich erst hat Kuusisto das in Bad Kissingen unter Beweis gestellt, wo er gemeinsam mit dem Elektro-Pianisten Hauschka ein Konzert gab. Hauschka war für seine mit Dustin O’Halloran komponierte Musik zum Film Lion – der lange Weg nach Hause für einen Oscar nominiert. „Das klingt jetzt vielleicht verrückt, aber wir haben zwischen all den berühmten Musikern in Bad Kissingen das einzige Improvisations-Konzert des Abends gegeben.“

Pekka Kuusisto: Weniger Genre-Diskussionen vom Zaun brechen

Pekka Kuusisto
Pekka Kuusisto © Sonja Werner

Gerade dieses Wandeln zwischen den Welten macht Kuusisto und seine Interpretationen aus. Er arbeitet nicht nur viel mit zeitgenössischen Komponisten zusammen, sondern schreibt auch selbst Musik – zum Beispiel für eine neue große Mumins-Fernsehproduktion: „Das ist eine Animationsserie, die 2019 hoffentlich weltweit ausgestrahlt wird.“ Sein Landsmann Sebastian Fagerlund widmete ihm das Violinkonzert Darkness in Light (2015), und jüngst komponierten Bryce Dessner, Nico Muhly und Daniel Bjarnson Werke für Pekka Kuusisto. Auch für diese Projekte gilt: Schubladendenken ist Kuusistos Sache nicht.

Mit Sorge beobachtet er, wie speziell, ja beinahe exotisch Konzerte inzwischen von Veranstaltern angepriesen werden, um einer bestimmten Marketingstrategie zu folgen und neues Publikum zu gewinnen. Bei diesem Thema greift Pekka Kuusisto mit besorgtem Blick zu seiner Violine: „Wir sind zu sehr damit beschäftigt, Genre-Diskussionen vom Zaun zu brechen. Wir sollten lieber mal darüber nachdenken, was passieren würde, wenn wir jeden einfach als Musiker behandeln würden.“ Ein wahrlich hoch reflektierter Sibelius-Erbe. Und ein sehr sympathischer dazu.

Pekka Kuusisto spielt Bach:

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