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Porträt Christoph Sietzen

Von der Archaik zur Kunst

Der österreichische Schlagwerker Christoph Sietzen liebt die Vielfalt seines riesigen Instrumentariums.

vonChristian Schmidt,

Auf Kochtöpfen begann sie nicht, diese Bilderbuchkarriere. Das übliche Klischee, dass ein Schlagwerker schon als Kind im Takt den halben Haushalt zerdeppert haben muss, um später ganz groß rauszukommen, war in der Salzburger Streicher­familie von Christoph Sietzen undenkbar. Und doch gab der heute dreißig Jahre alte Schlägelmeister sein Debüt bei den Salzburger Festspielen schon im zarten Alter eines Zwölfjährigen. Zehn Jahre später war er bereits Preisträger beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD und begann zu unterrichten. Seitdem wird er mit Superlativen zwischen „Naturereignis“ und „Ausnahme­talent“ überhäuft.

„Ich habe im Kindergarten mit dem Xylofon angefangen und erlernte dann schnell das Marimbafon, komme also eher von den melodischen Instrumenten her“, sagt Sietzen, der mit acht Jahren auch noch Kontrabass lernte und während des Studiums in Linz Cembalo und Klavier seinem Instrumentarium hinzufügte. „Die Welt der Klassik war mir immer wichtig, denn ein Schlagwerker wie ich hat dort seine Wurzeln bis in die Werke der Moderne hinein, aber ich liebe auch die Vielfalt über Rock und Jazz bis hin zu indischer Musik, Polyrhythmie oder österreichischer Volks­musik.“

Christoph Sietzen lässt allein die Musik sprechen

Hat man das Glück, Christoph Sietzen in einem seiner stets gut besuchten Konzerte zu erleben, fällt auf, dass er nicht mit seiner Athletik auftrumpfen will, sondern alleinig die Musik sprechen lässt, deren melodischen Kern er auch Instrumenten ohne bestimmte Tonhöhe abringt, etwa Trommeln oder Tamtams. Wie alle Schlagwerker kann er mächtig beeindrucken mit seiner Kraft und Ausdauer, aber er legt es nicht darauf an, optisch die Funken sprühen zu lassen. „­Natürlich ist es schön, wenn das Publikum mitgeht. Aber auch wenn es eher leise bleibt, heißt das ja nicht, dass es nicht berührt war, und man kann den Erfolg eines Stücks nicht an der Lautstärke des Applauses messen.“ Vielmehr diene die Bewegung der Klangvorstellung und sei kein Selbstzweck.

Hat ein Schloss für seine vielen Instrumente gemietet: Christoph Sietzen
Hat ein Schloss für seine vielen Instrumente gemietet: Christoph Sietzen

Etwa fünfzig bis sechzig Konzerte im Jahr gibt Sietzen mit den unterschiedlichsten musikalischen Partnern und hat dafür eine Armada von mehreren hundert Instrumenten zur Verfügung. Die meisten davon gehören ihm selbst, wofür er in einem gemieteten Schloss in der Nähe von Linz ein ganzes Lager betreibt, in dem ständig verschiedene Set­ups für die unterschiedlichen Projekte aufgebaut sind, an denen Christoph Sietzen parallel üben muss. Dazu gehören nicht nur die Standards aus dem Sinfonieorchester, sondern üblicherweise werden Schlagwerkern ja auch all die vielleicht abseitig erscheinenden Geräuschquellen neuerer Musik anvertraut, die keinem anderen Soloinstrument verwandt sind, etwa Hämmer, Haushaltsgeräte oder Trillerpfeifen.

Instrumente sammeln auf dem Schrottplatz

Für eine Uraufführung eines der vielen Werke, die Sietzen auf den Leib geschrieben wurden, musste er sogar ganz neue Instrumente selbst zusammenbauen: eine Klangwand mit 150 Metallgegenständen vom Schrottplatz, geordnet nach Tonhöhen, die vom Komponisten Georg Friedrich Haas exakt vorgeschrieben waren. „Das bedeutete für mich eine komplett neue Erfahrung, weil die akustische Wirkung im Saal ja unberechenbar war.“ Aber Sietzen lebt für diesen Abwechslungsreichtum, der sich bis in die Spieltechniken hinein fortsetzt. „Schließlich ergibt sich die Spannung aus der Vielfalt einerseits und den klanglichen Grenzen des Instrumentariums andererseits.“ Wobei der smarte Österreicher den Ehrgeiz hat, diese Beschränkungen immer öfter aufzuheben, etwa wenn er mit der Academy of Ancient Music und vier Marimbas sogar Bach spielt.

Diese attraktive Vielseitigkeit entdecken inzwischen immer mehr Solisten, auch einige Frauen dringen in die einstige Männerdomäne vor. So kommt es, dass das Schlagwerk – ein Wort, das Sietzen wegen der pejorativen Konnotation des Begriffs „Zeug“ lieber ist – zunehmend den Nimbus einer Attraktion verliert. Was früher als Kuriosum galt, mausert sich immer mehr zum emanzipierten, ernstzunehmenden Soloinstrument, dessen Urformen die Menschen immerhin schon seit der Steinzeit als elementare Rhythmusquellen im Alltag begleiten. Und vielleicht liegt deswegen dann doch in der Archaik seiner motorisch auffälligen Bedienung der Urzauber besonders erfüllender Konzertabende.

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