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Antoine Tamestit und die Kammerakademie Potsdam im Nikolaisaal

Einen Ausweg aus der Obsession finden

Antoine Tamestit gibt seinen Einstand als Residenzkünstler der Kammerakademie Potsdam.

vonCorina Kolbe,

Zwischen Antoine Tamestit und der Kammerakademie Potsdam stimmt die Chemie. Der französische Bratscher, der vergangenes Jahr zum ersten Mal als Solist bei dem Orchester gastierte, kann in der Saison 2019/20 als Residenzkünstler ganz unterschiedliche Facetten seines Könnens zeigen. Am ersten Abend, der unter dem beziehungsreichen Titel „Klangpoeten“ steht, spielt er unter der Leitung von Chefdirigent Antonello Manacorda das berühmte Bratschenkonzert „Der Schwanendreher“ von Paul Hindemith. Ein Stück, bei dem er auf offene Ohren hoffen kann. Denn die eingängigen Melodien basieren auf Volksliedern, die vielen Zuhörern noch heute geläufig sein dürften.

Der Rückgriff auf die alten Weisen war für den Komponisten mehr als bloße Folklore. In diesen Liedern geht es um Ausgestoßensein, Schmerz und Trennung. Darin spiegelt sich auch das persönliche Schicksal Hindemiths, der in Nazi-Deutschland verfemt war. Tamestit erkennt in dem 1935 entstandenen Werk einen militärischen Rhythmus, der sich bis ins Zwanghafte steigert. „Aber Hindemith findet immer einen Ausweg aus dieser Obsession“, sagt er im Interview mit der Kammerakademie. „Und der zweite Satz ist einfach einer der schönsten Sätze aller Bratschenkom­positionen.“

Verständigt sich durch Augenkontakt: Antoine Tamestit

Tamestit, der wie Manacorda einst auf Einladung von Claudio Abbado in dessen Lucerne Festival Orchestra spielte, behält die von dem unvergessenen Dirigenten zelebrierte kammermusikalische Dimension des Orchesterspiels immer im Blick. „Ein Orchester, auch mit Solist, ist eigentlich eine große Kammermusikgruppe“, erklärt er. Bei manchen Stücken habe man nicht die großen Zeichen des Dirigenten. Stattdessen achteten die Musiker auf die Körpersprache der anderen. „Man atmet zusammen, sucht Augenkontakt, versteht zusammen die Musik“. Dieses Einfühlungsvermögen wird ihm auch zugutekommen, wenn er später in der Saison mit KAP-Mitgliedern Kammermusik spielen oder eine Aufführung in der Doppelfunktion als Solist und Dirigent leiten wird. Tamestit musiziert auf der erlesenen Stradivari-Viola „Gustav Mahler“ von 1672. Ein seltenes Privileg, denn unter den rund 600 erhaltenen Instrumenten des legendären italienischen Geigenbaumeisters gibt es lediglich um die zehn Bratschen.

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