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Porträt Alexander Gadjiev

Das ewige Schicksalspaar

Der Pianist Alexander Gadjiev erspürt die grundlegenden Fragen des Menschseins.

vonHelge Birkelbach,

Er wird von führenden Orchestern als Solist eingeladen, was sicher auch daran liegt, dass Alexander Gadjiev bis vor Kurzem noch BBC New Generation Artist war. Nach seinem Studium am Mozarteum Salzburg und der Hanns-Eisler-Hochschule Berlin, wo er im Frühjahr 2022 bei Eldar Nebolsin sein Konzertexamen machte, ist Gadjiev nun seit Beginn der Spielzeit 2022/23 für drei Jahre Artist in Residence bei der Unione Musicale in Turin und der Wigmore Hall in London.

Die Liste seiner Wettbewerbserfolge ist lang, unter anderem gewann er den 1. Preis beim Internationalen Klavierwettbewerb in Sydney und den 2. Preis beim Internationalen Chopin-Wettbewerb. Der junge italienisch-slowenische Pianist mit russischen Wurzeln scheint keine Grenzen zu kennen. Noch mehr Wettbewerbe, noch mehr Drängen? Der 28-Jährige winkt ab: „Es war ein guter Stimulus, aber Wettbewerbe verändern auch unbewusst die Denkweise. Du kannst versuchen, dein ganzes Leben lang ein Che Guevara zu sein, aber es gibt Grenzen.“

Wer bin ich? Wo komme ich her? Wo will ich hin?

Revolution war gestern. Nun will Gadjiev, dessen Haar- und Barttracht für Promofotos oft gestutzt werden muss, in die Tiefe abtauchen – und sich mit dem ewigen Schicksalspaar Revolution/Evolution auseinandersetzen. Das klug zusammengestellte Programm seines aktuellen Albums zeigt es. Die Selbstreflexionen von Sergej Prokofjews „Fünf Sarkasmen“ kombiniert er mit Werken einer Vater-Sohn-Konstellation: Während Nikolai Tscherepnin eher für die klassisch-russische Tonsprache mit impressionistischen Ausflügen stand, stürmte sein Sohn Alexander Tscherepnin geradewegs ins 20. Jahrhundert.

Gadjiev versucht, musikalische Antworten zu finden auf die uralten, aber immer aktuellen Fragen der Menschheit: Wer bin ich? Wo komme ich her? Wo will ich hin? „Zunehmend bemühe ich mich, die feurigere oder russisch-schulische Seite des Spiels mit einer kontrollierteren Bedeutung zu verbinden“, erklärt er. „Das ist nicht immer so einfach, weil das eine dem anderen widersprechen kann. Es geht also ums Gleichgewicht.“ Auch körperlich hat der Pianist dafür ein Mittel gefunden: Er betreibt Yoga. Wenn er mal nicht in seine Partituren versunken ist, beschäftigt er sich mit dem Bhagavad Gita, einer zentralen Schrift des Hinduismus. „Wie schön wäre es doch, wenn wir uns nur auf das konzentrieren würden, was wir gemeinsam haben, anstatt auf das, was uns trennt“, bemerkt er. Genau das vermag Musik.

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