Ungewöhnlich lange hatte Händel diesmal gebraucht. Der Schnellschreiber mühte sich mit seinen Helden ab, änderte zwischendurch die Besetzung, wollte Großes schaffen – was ihm nach einem dreiviertel Jahr auch gelang. Am 20. Februar 1724 fand die Premiere im King’s Theatre in London statt, ein triumphaler Erfolg, gleichermaßen auf der britischen Insel wie auf dem europäischen Festland. „Giulio Cesare in Egitto“ war zu diesem Zeitpunkt Händels Herzensstück, der Komponist selbst leitete 38 Aufführungen der Oper. Wie sehr er sich in das Drama um Macht, Liebe, Rache und erlösenden Frieden hineinsteigerte, kann man in seinem Autografen sehen: Anmerkungen und Streichungen, Korrektur über Korrektur – für einen Spezialisten wie Ottavio Dantone und seiner Accademia Bizantina eine Weltkarte!
Der Italiener liebt es, tief in Partituren einzutauchen, quasi mit einem Augenaufschlag Ort und Zeit zu wechseln, um die Intentionen des Komponisten in dessen damals erlebter Gegenwart zu verstehen. Das hat der 1960 in Cerignola geborene Dirigent, der am Mailänder Konservatorium Orgel und Cembalo studierte, bereits bei Vivaldi, Scarlatti und Pergolesi so praktiziert. Seine 2016 erschienene Einspielung der Sinfonien Nr. 78 bis 81 von Haydn erntete höchstes Lob. „Kleine Wunder an Durchhörbarkeit und Feinstabstimmung“ vollbringe er mit seiner Accademia Bizantina, schrieb ein Kritiker.
Ein Spezialensemble namens Accademia Bizantina
1996 übernahm Ottavio Dantone die Leitung der Accademia Bizantina, nachdem er dort sieben Jahre lang als Cembalist gewirkt hatte. 1983 in Ravenna gegründet, schrieben sich die Musiker der Accademia auf die Fahnen, Kompositionen so zu interpretieren, als sei das Barockorchester lediglich ein Kammermusikensemble.
Auch dieses Ideal passt nahtlos zum Kunstverständnis Dantones, so dass die zündende Kombination aus der Neugier des Forschers und der Musizierlust des Spezialensembles zum Fundament des jahrelangen Erfolgs wurde. Oder, wie es das Ensemble so treffend in seiner Selbstdarstellung formuliert: „Dantones Rigorosität und die Mitteilsamkeit jedes einzelnen Instrumentalisten fügen sich zusammen wie die Steine eines byzantinischen Mosaiks“. Andere sagen einfach: So muss Barock klingen – und erst recht, wenn der Komponist so viel Schweiß und Herzblut in sein Werk investiert hat.
Trailer zum aktuellen Album „Agitat» der Accademia Bizantina: