Der Mythos von Orpheus, der Götter, Menschen, Tiere und selbst Steine durch seine Musik verzaubern kann und seine Geliebte Eurydice aus dem Totenreich erretten will, ist der Opernstoff schlechthin. Telemann hat sein Libretto von Beginn an als Dreiecksbeziehung konstruiert: Orasia, Königin von Thrakien, liebt den Sänger Orpheus. Er flieht vor ihr, aber Orasia lässt nicht locker. Sie will ihn von Eurydice trennen, aber beide beschwören ihre Liebe zueinander. So tötet die Königin Eurydice mit einen Schlangenbiss. Orpheus steigt in die Unterwelt hinab und überzeugt Pluto, Eurydice gehen zu lassen. Was folgt, ist ein dramatisches Ringen um Leben und Tod.
Innige Musik
Telemann kannte sich im dramatischen Genre bestens aus – er galt gar als der bedeutendste Meister der deutschen Oper in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Zwar entdeckte er kein neues musikalisches Prinzip wie einst Monteverdi, vielmehr verstand er es auf raffinierte Weise die aktuellen musikalischen Strömungen zu bündeln und zu einem neuartigen Ganzen zu verbinden. Die Musik besticht in erster Linie durch Innigkeit und harmonische Überraschungen.
Gleichzeitig herrscht aber eine Formenvielfalt, in der Rezitative, Arien, Tanz- und Chorstücke fließend ineinander übergehen. Zudem verwendete Telemann deutsche, französische und italienische Texte. Dieser Umgang mit den verschiedenen Sprachen entwickelt sich zu einem psychologisch scharfsinnigen sowie virtuosen Spiel: Typisch italienische Bravour-Arien sowie im französischen Stil komponierte Nummern sind in der jeweiligen Sprache innerhalb der ansonsten deutschsprachigen Oper komponiert.
Der wiederentdeckte Orpheus
„Orpheus oder Die wunderbare Beständigkeit der Liebe» wurde erst vor gut vierzig Jahren wiederentdeckt. Uraufgeführt wurde das Werk 1726 „vermittelst eines Concerts durch Veranstaltung Madame Kayserinn“ in Hamburgs Oper am Gänsemarkt – allerdings konzertant und nicht wie vorgesehen szenisch. In Hildesheim, wo Telemann längere Zeit das Gymnasium Andreanum besucht hatte, liegt die Inszenierung in den Händen der Belgierin Sigrid T’Hooft, die sich bereits seit Anfang der 1990er Jahre als Choreografin und Opernregisseurin der historisch informierten Aufführungspraxis einen Namen gemacht hat.
Ausschnitt aus „Orpheus oder Die wunderbare Beständigkeit der Liebe»:
concerti-Tipp:
Telemann: Orpheus oder Die wunderbare Beständigkeit der Liebe
Mit: Florian Ziemen (Leitung), Sigrid T’Hooft (Regie)
Premiere: Sa. 2.12., 19 Uhr
Theater für Niedersachsen Hildesheim