Am Ende der Premiere feierte das Düsseldorfer Publikum Kollektive und Solisten, den Dirigenten und das Regieteam gleichermaßen frenetisch. Das ist vor allem bemerkenswert, weil es Rimsky-Korsakows letzte Oper sonst schwer hat auf deutschen Bühnen. Die Geschichte vom alten, ängstlichen Tyrannen Dodon, dem ein hinterhältiger Astrologe scheinbar zur Beruhigung einen goldenen Hahn schenkt, der dann mehrere Katastrophen auslöst, scheint mal poetische Parabel, dann wieder direkte Politsatire sein zu wollen. Dazu spielt die unkonventionelle Partitur auf etlichen Ebenen mit Exotik aller Art und ergeht sich das in plump wirkenden Reimpaaren gehaltene Libretto in schwer auf die Bühne zu bringenden Doppeldeutigkeiten.
Harmlose Späße nehmen dem Stück seine beißende Schärfe
Dmitry Bertman, Gründer und immer noch Leiter der Moskauer Helikon-Oper, ist offensichtlich vor allem an den komischen Momenten von Der Goldene Hahn interessiert. Ene-Liis Semper gewandet nicht historisch, steckt aber den Astrologen und die Königin von Schemacha, die Verführerin und zweite Gegenspielerin Dodons, in distanzierend goldene Kostüme. Anspielungen an das heutige Russland ereignen sich allenfalls beiläufig. Wenn man etwa im ersten Bild Dodon und seine Räte mit nacktem Oberkörper sieht, denkt man unwillkürlich an den reitenden Putin. Aber bereits hier nimmt der Regisseur durch harmlos betuliche Späße dem Stück die Schärfe. Auch im Folgenden wird hauptsächlich professionell und pointensicher eine Komödienmechanik mit Märchenelementen abgespult.
Sehnsuchtsort „Paris“ – ein Party- und Shopping-Paradies
Das Reich der Königin von Schemacha verlegt Bertman nach Paris, seit Tschechow wohl eine Art Sehnsuchtsort der „russischen Seele“, hier vor allem Party- und Shopping-Paradies. In der Begegnung mit der Königin geht der durchgängig kraftvoll singende und gestaltende Boris Statsenko als Dodon auch körperlich aus sich heraus. Dennoch bleibt die vollblütige Erotik der Musik Behauptung. Zu wenig passiert, nicht nur hier, zwischen den Figuren abseits standardisierter Gestik. Der Zar wirkt wie ein vertrottelter Sugardaddy auf Brautschau. Seine Gefährlichkeit, seine Verantwortung werden nicht thematisiert. Nur im letzten Moment der Oper, wenn der scheinbar Tote winkend und grinsend wieder auftaucht, erschrickt man kurz gemeinsam mit seinem Volk, erfährt man, was dieser streckenweise vergnügliche Abend auch hätte sein können.
Eine Königin wie aus dem Ohrenbilderbuch
Herausragend wieder einmal das Ensemble der Rheinoper. Antonina Vesenina singt eine Königin wie aus dem Ohrenbilderbuch. Ihr flirrender höhenstarker Sopran nimmt in jedem Moment gefangen, auch die ihr, zur Versinnlichung des Westens sozusagen, für die Düsseldorfer Aufführung verordneten Sprachwechsel ins Französische, Deutsche und Englische bewältigt sie mit müheloser Eleganz. Die unglaublich hoch liegende Tenorpartie des Astrologen bewältigt Cornel Frey in faszinierender Weise. Axel Kober hält die Düsseldorfer Symphoniker zu exaktem, genau austariertem Spiel an, spannt so einen klaren Bogen, verschenkt aber einiges von der Klangwirkung von Rimsky-Korsakows bekannt raffinierter Instrumentierung.
Deutsche Oper am Rhein
Rimsky-Korsakow: Der Goldene Hahn
Axel Kober (Leitung), Dmitry Bertman (Regie), Ene-Liis Semper (Bühne & Kostüme), Christoph Kurig (Chor), Boris Statsenko, Antonina Vesenina, Cornel Frey, Sami Luttinen, Reneé Morloc, Eva Bodorova, Corby Welch, Roman Hoza, Chor der Deutschen Oper am Rhein, Düsseldorfer Symphoniker