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Opern-Kritik: Oper Köln – Jeanne d’Arc

Schritte im Schutt

(Köln, 14.2.2016) Ein musikalischer Hochgenuss – Lothar Zagrosek dirigiert, Tatjana Gürbaca inszeniert Walter Braunfels

vonAndreas Falentin,

Musikalisch präsentiert sich die Kölner Oper an diesem Abend in absoluter Bestform. Chor, Orchester und sämtliche Solisten erfüllen die Musik von Walter Braunfels unter Lothar Zagroseks so inspirierter wie inspirierender Leitung ausnahmslos auf höchstem Niveau. Trotz der trocken-steifen Akustik des Staatenhauses, einer historischen Messehalle, die der durch Bauversagen gepeinigten Oper als Ausweichquartier dient: ein musikalischer Hochgenuss.

Doppelte Last-Minute-Einspringerin in der Titelpartie

Was allerdings die Szenen aus dem Leben der heiligen Johanna inhaltlich heute relevant oder zumindest spielbar machen könnte, kann man an der Kölner Inszenierung zumindest am Premierentag allenfalls teilweise ablesen. Denn das gebeutelte Haus ist Opfer einer weiteren Katastrophe geworden. Die für die Titelrolle gebuchte Natalie Karl hat sich während der Generalprobe eine schwerwiegende Verletzung zugezogen. Juliane Banse sprang für die Premiere ein, sang mit profundem, ein wenig brüchigem Sopran aus dem Orchester, die Regisseurin Tatjana Gürbaca spielte stumm. Trotz des ungeheuren Einsatzes beider Einspringerinnen fehlte der Aufführung so das dramatische Zentrum. Das fällt besonders ins Gewicht, weil Braunfels‘ zwischen 1938 und 1943 in der inneren Emigration entstandener dreiteiliger epischer Bilderbogen in jeder Hinsicht sehr breit gebaut ist, weil der Handlungsstrom langsam fließt – und weil die Inszenierung dieser Anlage folgt.

Inszenierungs-Mix aus stilisiertem Spätmittelalter und Jetzt-Zeit

Tatjana Gürbaca versucht das Stück als Parabel zu modellieren und vermeidet konkrete Bezüge zur Entstehungszeit. Stefan Heyne hat ihr eine Art überzeitliche Kriegsschutthalde in das bühnentechnisch kaum variable Staatenhaus gebaut, eine virtuose Installation voll faszinierender Details. Die dominieren auch die Kostüme von Silke Willrett, die wild stilisiertes Spätmittelalter und Jetzt-Zeit kombinieren, stets ästhetisch reizvoll, allerdings auch ein wenig beliebig wirken. Immer wieder versucht Gürbaca in diesem Setting, die kaum akzentuiert auf die bekannten Höhepunkte fokussierende Story ironisch aufzubrechen.

Gleichzeitig behauptet sie die Tragik der zu Beginn als eine Art weibliche Mischung aus Parsifal und Don Quixote angelegten Johanna als Passion einer Gerechten unter Ungerechten und als Opfer der dumpfen Masse und politischer Prozesse. Dieser Widerspruch macht eine homogene Erzählweise, die Gürbaca gleichwohl zu leisten versucht, zumindest unter den gegebenen Umständen unmöglich, vielleicht auch, weil in dieser Musik das postmodern verbrämte spätromantische Idiom noch stärker dominiert als in anderen Kompositionen von Walter Braunfels – und weil die Haltung des bekennenden Katholiken zur von ihm gestalteten Geschichte nicht eindeutig hervortritt.

Fesselnde Figurenporträts

So verhakt sich die Inszenierung einerseits in realistischen Details, flacher Symbolik oder Klischees – wie in der wie aus einem Heimatfilm herausgeschnittenen Darstellung von Johannas Vater. Und schafft doch fesselnde Figurenporträts wie den umwerfend treffsicher ironisierten Steppdecken-Popanz-König von Matthias Klink, den lustvoll deklamierend als düsterer Clown durch das Stück laufenden Tremouille von Bjarni Thor Kristinsson oder den Fanatiker Gilles de Rais, als der sich Oliver Zwarg hochexpressiv, aber nie penetrant in spätromantischer Zerrissenheit suhlt.

Oper Köln

Walter Braunfels: Jeanne d’Arc – Szenen aus dem Leben der heiligen Johanna

Lothar Zagrosek (Leitung), Tatjana Gürbaca (Regie), Stefan Heyne (Bühne), Silke Willrett (Kostüme), Andrew Ollivant (Chor), Juliane Banse/Tajana Gürbaca, Oliver Zwarg, Matthias Klink, Barni Thor Kristinsson, Ferdinand von Bothmer, Judith Thielsen, Justina Samborska, Dennis Wilgenhof, Ralf Rachbauer, Chor und Extrachor der Kölner Oper, Gürzenich-Orchester Köln

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