Emil Nikolaus von Rezniceks 1923 triumphal uraufgeführter Holofernes war viele Jahre lang auf deutschen Bühnen nicht zu erleben. Dennoch klingt die Musik seltsam vertraut. So hat die Titelfigur etliche Phrasen zu singen, die sehr an Wagners Hagen erinnern. Mal klingt er wie ein tiefer gelegter Herodes, mal erscheint er lose in Jochanaans Klangfarben und Melodik gehüllt. Überhaupt erscheint das ganze Werk fast als Blaupause des Richard Strauss-Einakters Salome, und das nicht nur wegen des vergleichbaren geographischen und biblischen Hintergrundes.
Auch bei Reznicek gibt es einen, allerdings von einer namenlosen Tänzerin getanzten, Tanz, der in seiner musikalischen Struktur deutlich an den „Tanz der sieben Schleier erinnert“ und sich zudem im dramatischen Gefüge an ähnlicher Stelle befindet. Zudem wird auch bei Reznicek das „sich Ansehen“ textlich thematisiert – und am Ende steht eine attraktive junge Frau mit einem abgeschlagenen Kopf auf der Bühne. Nur fordert sie selbst auf, sich zu töten. Alles gedreht eben.
Maximale musikalische Sorgfalt und starke Solisten
Was macht man also mit so einem Stück, das über einige musikalische Besonderheiten und Höhepunkte verfügen mag, aber über weite Strecken wie aus zweiter Hand wirkt? Jacques Lacombe, der neue Chefdirigent der Bonner Oper, geht die Angelegenheit vor allem mit großer Sorgfalt an, lässt das gut disponierte Beethoven-Orchester nie aufschreien, tariert die Dynamik fein aus, nimmt die lyrischen Stellen souverän und ein wenig burschikos, damit auch nicht die Ahnung von Kitsch entsteht. Dazu kommen ein sauber singender, vielleicht in den Männerstimmen manchmal etwas dünn klingender Chor und gute Solisten. Mark Morouse in der Titelrolle und Johanni van Oostrum als Judith bewältigen die gewaltigen musikalischen Anstrengungen so, dass man diese nicht hört. Morouse beglaubigt stimmlich den Kraftkerl, den Übermensch eigenen Rechts und die pralle Lebenslust; und van Oostrum hat unter dem wild lodernden jugendlich-dramatischen Feuer noch Raum für schöne, sogar innige lyrische Phrasen.
Linkische Inszenierung
Über die Inszenierung dieser Wiederentdeckung möchte man allerdings nur zu gern den Mantel des Schweigens decken. Es dominiert teilweise historisierender Science-Fiction-Fantasy-Kitsch a la Star Wars oder Star Trek. Dazu suchen Jürgen R. Weber und sein Bühnenbildner Hank Irwin Kittel ihr Heil in der wurschtigen Parodie. Immer wieder versuchen sie, die szenischen Vorgänge zu verulken. Da kommt ein Orchester-Trompeter im Frack auf die Bühne, tätschelt einen Sklaven, der ihm die Noten hält, ohne dass er sie ansieht, und wird später im Vorbeigehen von Judith, die als Kampfsportexpertin vorgeführt wird, in die ewigen Jagdgründe befördert. Das eine wie das andere sieht geradezu entsetzlich linkisch und ungeschickt aus.
Vielleicht soll hier mit den Mitteln schlechten, „provinziellen“ Theaters schlechtes Theater kenntlich gemacht werden. Aber es fehlen Distanz und Überhöhung, Timing und Genauigkeit. Es fehlt jedes Regiehandwerk. Hier wird nicht erzählt, nicht interpretiert, die Kraft der Komposition nicht produktiv gemacht, ihre Leerstellen weder gefüllt noch ausgestellt, kein musikalischer Impuls genutzt oder hörbar gemacht. Es ereignet sich nicht einmal eine Beziehung zwischen den Protagonisten, was, deutlich betont, nicht den Sängern anzulasten ist. Es ereignet sich nur furchtbar unernstes – schlechtes Theater.
Theater Bonn
Ernst Nikolaus von Reznicek: Holofernes
Jacques Lacombe (Leitung), Jürgen R. Weber (Regie), Hank Irwin Kittel (Bühne), Kristopher Kempf (Kostüme), Marco Medved (Chor), Mark Morouse, Johanni van Oostrum, Ceri Williams, Daniel Pannermayr, Johannes Mertes, Martin Tzonev, Chor des Theaters Bonn, Beethoven Orchester Bonn