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Premiere: „The Rake’s Progress“ in Neustrelitz

Der den Reichtum suchte und den Wahnsinn fand

In Strawinskys „The Rake’s Progress“ führt die Faulheit zu teuflischen Verstrickungen.

vonRoland H. Dippel,

So kommt der satirische Psychothriller „The Rake’s Progress“ richtig in Fahrt: „I Go to Him“ ist neben „Glitter and Be Gay“ aus Bernsteins „Candide“ eine der ganz wenigen berühmten Opernarien des mittleren 20. Jahrhunderts. Ann Trulove schleicht sich nachts aus dem Haus ihres Vaters und sucht ihren spurlos verschwundenen Geliebten. Tom Rakewell wird durch Gier nach Reichtum zum Opfer seines Dieners Nick Shadow. Denn dieser ist der Teufel. Geistig umnachtet endet Tom im Tollhaus. Dort singt ihn Ann in den Schlaf. Am Ende dieser „Karriere eines Wüstlings“ warnen alle Solisten vor den Gefahren des Lasters. Seit einigen Jahren gehört Igor Strawinskys für die XIV. Biennale di Venezia entstandene Oper zum Standardrepetoire. Die erste Ann Trulove war Elisabeth Schwarzkopf.

Kurzweilig ist „The Rake’s Progress“ auch für Hörer mit wenigen Erfahrungen in Neuer Musik. Für das Libretto ließen sich Wyston Hugh Auden und Chester Kallman durch den gleichnamigen Zyklus von Kupferstichen William ­Hogarths (1735) inspirieren. Strawinsky jonglierte in geschlossenen Musiknummern und Rezitativen mit einem brillanten bis schrägen Mix aus Stil-Imitationen, Zitaten und Täuschungen. Die Mozart-Zeit dominiert mit Bögen zur späten Opera buffa à la Rossini und Donizetti. Das Libretto reiht romantische Motive: Teufelspakt, ein hier wenig poetischer Wahnsinn und die unanfechtbare Treue einer verlassenen Frau.

Groteske Figuren in „The Rake’s Progress“

In kleinen Häusern wie dem Theater Neustrelitz kommt die für ein mittelgroßes Orchester komponierte Oper besonders gut zur Geltung. Neben den Festspielaufführungen im Schlossgarten Neustrelitz (im Sommer wird dies Kálmáns „Die Bajadere“ sein) überrascht das Theater Vorpommern an seiner Musiktheaterspielstätte regelmäßig mit seltener gespielten Werken wie Menottis „Der Konsul“ und Lortzings ­„Undine“. Regisseur Jürgen ­Pöckel hatte im Februar mit seiner Inszenierung von Humperdincks „Königskinder“ am Theater Plauen-Zwickau einen großen Erfolg. Seine besondere Affinität für Musical und Operette kann er bei Strawinskys teils grotesken Figuren wie der Türken-Bab, einer Bartträgerin, und der Bordellwirtin Mother Goose virtuos aus­leben. Denn offenbar hat sich seit William Hogarth nur wenig geändert.

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