Sie gleichen gallischen Dörfern des Widerstands. Sie wehren sich gegen das Virus, senden also keine mit dem Ton des Bedauerns getränkte Absagemitteilungen an die Medien, sondern hoffnungsvolle Ankündigungen: jene Opernfestivals, die in diesem Sommer wahre Öffnungsorgien feiern wollen. Angemessen verantwortlich, versteht sich, unter Einhaltung der Abstandsregeln für Musizierende und Hörende. Was im Ergebnis dann auch heißt: mit deutlich reduzierter Zahl von Mitwirkenden wie Publikum – und mit an die Pandemie angepassten Programmen. Es gibt sie also doch, die Festivals, die spielen, die sich mutig gegen den Trend all jener sommerlichen Schließungen stellen, durch die in Bayreuth, Bregenz und Verona, in Eutin, Heidenheim und Schwerin im Sommer 2020 coronabedingt nichts als Stille herrschen wird.
Rossini-Rezitals unter italienischem Himmel
Die erste Nachricht der Öffnung kam jetzt just aus Italien, wo man sich mit gallischen Dörfern als Nestern des Widerstands besonders gut auskennt – und durch den dramatisch frühen und heftigen Ausbruch der Pandemie ein besonders gebranntes Kind ist. Doch jetzt steht fest: Am Geburtsort des Schwans von Pesaro an der Adriaküste wird vom 8. bis 20. August das Rossini Opera Festival stattfinden. Die großformatigen Opern des Italieners werden diesmal zwar fehlen. Im schnuckeligen Teatro Rossini aber wird der entzückende Einakter „La cambiale di matrimonio“ am 8., 11., 13., 17. und 20. August in Verbindung mit der Kantate „ Giovanna d’Arco“ zu bestaunen sein. Am Pult des Orchestra Sinfonica G. Rossini wird der russische Tenor Dmitry Korchak debütieren, der neben seiner Gesangsausbildung auch studierter Dirigent ist. Lawrence Dale führt Regie, Gary McCann steuert die Ausstattung bei. Coronakonform wird die Inszenierung dadurch, dass das Orchester im Parkett verteilt spielen wird. Das Publikum sitzt in sicherer Entfernung in den Logen des Teatro Rossini. Wer es nicht wagen will, dazu jetzt schon nach Italien zu reisen, kann die letzte Aufführung der Serie gratis als Stream über die Website des Festivals genießen.
Mit einem mindestens so attraktiven Angebot lockt Pesaro zudem auf den zentralen Treffpunkt der mittelitalienischen Stadt, die Piazza del Popolo. Wo bereits die Superstars von einst große Galaabende gaben, darunter Marilyn Horne, Montserrat Caballé, June Anderson und Luciano Pavarotti, der in der Nähe von Pesaro lebte, da werden nun die Belcanto-Experten der Gegenwart zu hören sein. In sechs Rezitalen werden die Rossinisänger Olga Peretyatko (9. August), Nicola Alaimo (10. August), Jessica Pratt (14. August), Juan Diego Flórez (16. August), das Trio der Buffobässe Alfonso Antoniozzi, Paolo Bordogna und Alessandro Corbelli (18. August) sowie Karine Deshayes (19. August), jeweils begleitet vom Orchestra Filarmonica G.Rossini, zu hören sein. Es dirigieren die aufstrebenden Talente Michele Spotti, Nikolas Nägele und Alessandro Bonato. Die Piazza wird zudem Schauplatz der Wiederaufnahme der vielgelobten Produktion des Regisseurs Emilio Sagi von „Il viaggio a Reims“. Hierin werden Alumni der Accademia Rossiniana Alberto Zedda am 12. und 15. August auftreten, Giancarlo Rizzi dirigiert.
Salzburg spielt – und verlängert die Jubiläumfestspiele bis 2021
Welch gallischen Geistes durchaus auch die Österreicher sein können, wurde in den vergangenen Wochen deutlich, während der sich die Salzburger Festspiele mit Macht gegen eine Absage der diesjährigen Ausgabe stemmten. Jetzt steht fest: Die Salzburger Festspiele werden 2020 vom 1. bis 30. August stattfinden, allerdings wegen der Corona-Sicherheitsmaßnahmen in modifizierter und verkürzter Form. Fest steht bislang nur das Programmraster, das für die geplanten 30 Tage vorgestellt wurde: Statt 200 Vorstellungen an 44 Tagen an 16 Spielstätten wird es etwa 90 Vorstellungen an 30 Tagen auf höchstens 6 Spielstätten geben. Alle Produktionen des Jubiläumsprogramms, die 2020 nicht zur Aufführung kommen, sollen dann 2021 gezeigt werden. Das Programm „100 Jahre Salzburger Festspiele“ soll nunmehr erst im Jahr darauf am 31. August 2021 enden, so dass also letztlich alle Pläne für das Jubeljahr in zeitlicher Erweiterung realisiert werden können. Das modifizierte Programm 2020 wird Intendant Markus Hinterhäuser im Detail Anfang Juni vorstellen. Der unter freiem Himmel auf dem Domplatz gezeigte „Jedermann“ als traditionelle Cashcow der Festspiele, wird in jedem Fall dabei sein.
Konzertanter Verdi und Musical-Highlights in Thüringen
Doch auch in deutschen Landen wird mitunter gallisch gedacht und gehandelt, das ist zumal in Thüringen keine Neuigkeit. So gab nun das Theater Erfurt bekannt, dass die Thüringer Landeshauptstadt die Domstufen-Festspiele trotz Anti-Corona-Auflagen in einem reduzierten Format durchführen wird. Dafür wird ein Programm erarbeitet, das kompatibel mit den Pandemie-Einschränkungen ist. Am 10. Juli soll es losgehen, zwar nicht mit der zunächst geplanten kompletten „Nabucco“-Inszenierung. Stattdessen sollen Höhepunkte aus Giuseppe Verdis Opern mit Chor und Orchester ohne Ausstattung in neun Vorstellungen gespielt werden. Daneben wird es neun Aufführungen mit Ausschnitten aus Musicals und Operetten geben. Nach bisheriger Planung können auf einer Tribüne vor den Domstufen bis zu 500 Besucher gleichzeitig Platz finden und dabei genügend Abstand zueinander einhalten können. Üblicherweise finden gleichzeitig etwa 2000 Gäste auf den Rängen Platz. Die Erfurter planen insgesamt 18 Abende. Verdis Freiheitsoper „Nabucco“ soll dann im Jahr 2022 komplett bei den Festspielen zu sehen sein.
Maestro Muti macht Mozart in Ravenna
Dirigentenlegende Riccardo Muti, gern gallisch gestimmt, wenn es gilt, sich gegen das deutsche Regietheater zu positionieren, wird im übrigen das von seiner Gattin Cristina Mazzavillani Muti als Präsidentin geleitete Ravenna Festival bereits am 21. Juni eröffnen, damit das Jubiläum der 1990 gegründeten Festspiele möglich machen und überhaupt der erste sein, der im krisengebeutelten Italien ein musikalisches Zeichen der Hoffnung setzt. Gemeinsam mit der Sopranistin Rosa Feola und dem Luigi Cherubini Youth Orchestra wird der Maestro dann statt Verdi ein Mozart-Programm dirigieren – open air und für nur 250 Masken tragende Gäste, die sich in der stimmungsstarken wie akustisch günstigen Rocca Brancaleone aus dem 15. Jahrhundert einfinden werden. Das bis 30. Juli dauernde Programm wird noch bekannt gegeben, ebenso die Lösung für die stets im Spätherbst stattfindende Operntrilogie des Ravenna Festivals.
concerti-Tipps:
Ravenna Festival 21. Juni bis 30. Juli
Domstufen-Festspiele 10. Juli bis 2. August
Salzburger Festspiele 1. bis 31. August
Rossini Opera Festival 8. bis 20. August