Startseite » Oper » Was Liebe kann, das wagt sie auch

Opern-Tipps im November 2024: Romeo & Julia

Was Liebe kann, das wagt sie auch

Der sonst so trübe November entpuppt sich als Wonnemonat, denn er hält eine Vielzahl an „Romeo und Julia“-Produktionen bereit.

vonAndré Sperber,

Tragische Liebespaare gibt es gerade in der Opernwelt mehr als genug. Das fängt bei A wie Aida und Radamès an und hört bei Z wie Zaide und Gomatz auf. Doch es gibt ein Paar, das in puncto Popularität sogar Tristan und Isolde, Orpheus und Eurydike, letzten Endes vermutlich sogar Adam und Eva in den Schatten stellt: Romeo und Julia, das wohl berühmteste Liebespaar nicht nur der Opern-, sondern der gesamten Kulturgeschichte.

„Kein Hindernis aus Stein hält Liebe auf, was Liebe kann, das wagt sie auch.“ Nach dem Vorbild der antiken Sage von Pyramus und Thisbe schuf William Shakespeare mit „Romeo und Julia“ im 16. Jahrhundert den Inbegriff dessen, was wir heute gemeinhin unter einer schmachtenden, kitschig-romantischen Lovestory verstehen. Liebe gerät hier nicht bloß zur wilden Leidenschaft, sondern zur Ekstase. Die beiden Liebenden vergessen in ihrem Rausch alles um sich herum; vergessen sich selbst, stellen sich und ihre Liebe zueinander über die erbitterte Feindschaft ihrer Familien – und nehmen dafür letztlich sogar ihr eigenes schmerzvolles Ende in Kauf. Ein Stoff, dessen stark fokussierter Herkunfts- und Zugehörigkeits-Konflikt sich leicht auf andere Brandherde in der Welt, zum Beispiel auf Konflikte aufgrund von Nationalität, Religion, politischer Gesinnung oder sozialer Stellung, übertragen lässt und dadurch immer, gerade auch heute noch aktuell ist.

Tragödie in Musik und Tanz

Auf die Musiktheaterbühne schaffte es das berühmte Paar erstmals 1776 mit dem Singspiel „Romeo und Julie“ von Georg Anton Benda, der der Tragödie jedoch ein Happy End hinzudichtete, es damit quasi kastrierte. Über die Jahrhunderte folgten viele weitere Vertonungen. Eine der bekanntesten und meistgespielten unter ihnen ist Charles Gounods lyrischer Fünfakter „Roméo et Juliette“, 1867 im Rahmen der Weltausstellung in Paris uraufgeführt. Aus Paris stammt auch Regisseurin Mariame Clément, die das Werk nun an der Berliner Staatsoper Unter den Linden in Szene setzt. Sie will die beiden Protagonisten, hier gesungen von Amitai Pati und Aida Garifullina, vom Podest eines Liebespaar-Idealtypus herunterholen und sie als junge Menschen von heute präsentieren. Im Hier und Jetzt begreift sich auch die Inszenierung von Benjamin Prins, die vorige Saison am Thea­ter Nordhausen Premiere feierte und nun in Saalfeld als halbszenische Fassung zu erleben ist. Prins schildert hier bürgerkriegsartige Zustände und mafiöse Verhältnisse, gefasst in eine filmische Atmosphäre.

Auch aus dem Tanztheater ist das Shakespeare-Drama nicht mehr wegzudenken, allen voran Sergej Prokofjews berühmte Komposition aus dem Jahr 1935. Die Choreografien sprießen dieser Tage in allen Farben und Formen aus dem Boden: Am Saarländischen Staatstheater verspricht Ballettdirektor Stijn Celis „Leidenschaft, Dramatik und vollendeten Tanz“ unter Einbezug italienischer Lebensfreude. In Leipzig wirft Choreografin Lauren Lovette „eine zeitlose Perspektive auf Liebe, Tragödie, Freundschaft und Verlust und“, so heißt es weiter, „verwebt den Zauber der Erzählung mit dem des Theaters selbst.“ Gleich nebenan, am Theater Halle, macht Michal Sedláček „aus den Clans zwei Modehäuser, die sich in einer eleganten Shopping-Mall einen gnadenlosen Konkurrenz- und Verdrängungskampf liefern.“

Es geht auch andersrum: „Julia & Romeo“

Und wem das immer noch nicht modern, nicht unkonventionell genug ist, kann den altehrwürdigen Stoff auch völlig anders, neuartig und radikal erleben. Ihr Tanzspektakel „Julia & Romeo“ bezeichnen die beiden Isländerinnen Erna Ómarsdóttir und Halla Ólafsdóttir als eine „Punk-Analyse archaischen Ausmaßes“ und einen „Exorzismus der Shakespeare-­Themen“. Was will man mehr? Gespickt ist das ganze mit Musik von Prokofjew und Neukompositionen von Valdimar Johansson.







Auch interessant

Rezensionen

  • International als Solistin und Kammermusikpartnerin gefragt: Raphaela Gromes
    Interview Raphaela Gromes

    „Nicht enden wollende Energie“

    Raphaela Gromes hat mit dem Ukrainischen Nationalorchester Antonín Dvořáks Cellokonzert eingespielt – für die Cellistin in vielerlei Hinsicht ein bewegendes Projekt.

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!