Schön blutig bitte, und auf einem blanken Silbertablett serviert. Auf diese Weise bekommt man nicht nur seine Steaks in einem feinen englischen Restaurant dargeboten, sondern, wenn man nur hartnäckig genug danach verlangt, offenbar auch den Kopf des Jochanaan – zumindest auf der Bühne. Die biblische Legende der Salome, Tochter der Herodias und lüstern beäugte Stieftochter des Herodes, die mit einem heißblütigen Schleiertanz den Tod von Johannes dem Täufer erkauft, hat im Laufe der Jahrhunderte etliche Maler, Komponisten und Schriftsteller zu großen Werken inspiriert.
Mehr und mehr wurde sie dabei zum Inbegriff einer Femme fatale. Während etwa Oscar Wildes wilde Verarbeitung des skandalös-schockierenden Stoffes in England zu einem langjährigen Aufführungsverbot führte, inspirierte sie Richard Strauss zu einer seiner wohl berühmtesten und erfolgreichsten Musiktheater-Schöpfungen. Letztere wurde wiederum immerhin noch an der Wiener Hofoper aufgrund einer „die Sittlichkeit beleidigenden“ Handlung von der Zensur zum Tabu deklariert.
„Lauter perverse Leute“
Heute ist das einstige Verbot von Strauss’ „Salome“ unvorstellbar, gehört der kompakte, rund hundertminütige Einakter doch quasi zum Pflichtrepertoire eines jeden Opernhauses. Und wer sich umschaut, der hört immer irgendwo eine Salome nach dem Kopf des fanatischen Propheten Jochanaan gieren, sieht einen Herodes seiner Stieftochter nachstellen oder beobachtet eine Herodias, die vor Machtgier und Eifersucht zergeht. „Lauter perverse Leute“, wie Richard Strauss einmal selbst über den unmoralischen „Salome“-Cast äußerte.
Am Staatstheater Mainz etwa nimmt sich nun der Hamburger Regisseur Alexander Nerlich des zügellosen, abgründigen Décadence-Dramas an. Nerlich hatte in Mainz zuletzt in der Schauspielsparte die Uraufführung von Anna Gschnitzers „Einfache Leute“ inszeniert. Regisseurin Verena Stoiber dagegen, die wiederum ebenfalls erst kürzlich im April in Mainz mit „Le Villi und Pagliacci“ zu erleben war, präsentiert ihre Lesart des Salome-Mythos nun am Staatstheater Meiningen. Strauss’ bahnbrechende, vor farbreichen Motiven pulsierende Musik liegt dabei in der Verantwortung von Kapellmeister Harish Shankar. Eine weitere „Salome“ geht überdies im Rahmen des Immling Festivals im Chiemgau in Szene, am Pult steht hier die Münchner Dirigentin Cornelia von Kerssenbrock, für die Regie zeichnet das Konzeptions-Team aus Ludwig Baumann, Linus Land und Mariella Weiss verantwortlich.
Massenets „Hérodiade“ behandelt denselben Mythos
Richard Strauss war mit seinem Meisterwerk jedoch keinesfalls der Einzige, der sich musiktheatralisch mit jener Thematik auseinandersetzte: Bereits 1881, 24 Jahre vor der Uraufführung der „Salome“, erschien Jules Massenets breit angelegte, jedoch deutlich seltener rezipierte Oper „Hérodiade“, die denselben Mythos behandelt. Die beiden unterscheiden sich allerdings in vielerlei Hinsicht deutlich: Nicht nur dass der perspektivische Fokus – wie bereits der Titel verrät – hier weniger auf Salome selbst als vielmehr auf ihrer Mutter Herodias liegt. Auch basiert „Hérodiade“ nicht auf besagtem Wilde-Drama, sondern auf der gleichnamigen Novelle von Gustave Flaubert.
Und während Strauss’ Musik bereits neue musikalische Wege einschlägt, wandelt Massenets Werk noch auf den Pfaden der ausschweifenden romantischen Oper des 19. Jahrhunderts, mit groß angelegten Chören und klanglichem Exotismus bei der musikalischen Ausmalung hebräischer und orientalischer Kulturen. Regisseur Lorenzo Fioroni erzählt die Geschichte der kalten, machthungrigen Mutter Salomes szenisch an der Oper Düsseldorf. Wer sich jedoch stattdessen voll und ganz auf den auditiven Aspekt konzentrieren möchte, kann das Werk auch konzertant an der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Enrique Mazzola erleben.