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Opern-Kritik: Hamburger Staatsoper – Così fan tutte

Mozart im Kinderzimmer

(Hamburg, 8.9.2018) Von einer göttlichen Musiktheater-Liaison: Herbert Fritschs infantil-schrille Mozart-Inszenierung atmet den Geist ihres Schöpfers

vonWolfgang Wagner,

Als Mozart zum dritten Mal mit dem Dichter Lorenzo da Ponte eine Oper schuf, da wählte er einen explizit anti-spießbürgerlichen Plot: die Geschichte von zwei jungen Männern, die mit ihrem älteren Freund Don Alfonso eine Wette auf die Treue ihrer Verlobten abschließen, so tun, als müssten sie in den Krieg ziehen, und die dann verkleidet den beiden Frauen den Hof machen und sie zu verführen versuchen. Eine amouröse Odyssee, die innerhalb eines Tages alle zwischenmenschlichen Verbindungen aufhebt und an deren Ende die beiden neu zusammengewürfelten Paare sich von einem falschen Notar verloben lassen. Mozarts Komödie „Così fan tutte“ (So machen es alle) über die Seichtigkeit und das unreflektierte Wesen des Durchschnittsmenschen ist ein Fingerzeig auf Scheinmoral und eine Steilvorlage für den Regisseur Herbert Fritsch.

Hier ist wirklich gar nichts dezent

Ensemble und Chor der Hamburgischen Staatsoper in Mozarts „Così fan tutte“ an der Staatsoper Hamburg
Ensemble und Chor der Hamburgischen Staatsoper in Mozarts „Così fan tutte“ an der Staatsoper Hamburg © Hans Jörg Michel

Als sich der Vorhang hebt, wird der Blick frei auf eine Bühnenwelt in Neonfarben – hier ist wirklich gar nichts dezent. Verspiegelte Wände, ein selbstspielendes Cembalo in der Mitte und darum herum riesige Bauklötze. Mit diesen möchte aber niemand spielen. Denn in dieser als Kinderzimmer enttarnten Welt, in der sich keiner besonders erwachsen verhält, spielt man viel lieber miteinander. Hier kann man wunderbar den konventionellen Tugendkanon herunterbeten, um sich sodann in oberflächliche Gefühlswallungen hineinzusteigern, die diesem entgegenstehen. Fritsch, der Meister des Slapstick, gestaltet hier ganz nah an Mozarts Intentionen einen prägnant durchgestalteten Figurenreigen.

Es ist eine denkbar musikalische Figurenregie: Da wird gehüpft und getanzt, jede Figur mit einem individuellen Bewegungsprofil gestaltet. Über die Körpersprache der Charaktere zeigt Fritsch, dass sie so quirlig wie eindimensional sind, die jüngeren eigentlich noch sehr an den gesellschaftlichen Normen hängen, weil sie so gut wie nichts über sich wissen, sich aber auch ausprobieren wollen und dafür das rechte Maß nicht kennen. Für den musisch begeisterten Zuschauer werden im Rahmen einer Bewegungschoreografie einzelne Gesten minutiös entlang der Partitur ausgeführt und Oper wieder zu dem, was sie im Regietheater oft nicht mehr sei kann: Ein Gesamtkunstwerk.

Fritsch macht die „Così fan tutte“-Konfusion komplett

Don Alfonso und Despina, das Dienstmädchen der Schwestern Fiordiligi und Dorabella, fädeln das Verwirrspiel ein. Sylvia Schwartz ging in ihrer Rolle voll auf, spielte eine hyperaktiv-zapplige Despina und überzeugte mit ihrer transparenten Intonation. Die beiden treten in roten Kostümen mit schwarzen Lackstiefeln auf, und weil Don Alfonso zum Ende weniger selbstsicher auftritt als in anderen Inszenierungen, wird seine dominante Rolle gebrochen, tritt Despina als gleichberechtigte Mitspielerin auf.  Damit macht Fritsch die Konfusion komplett, denn in seiner „Così“ schwebt niemand mehr über den Dingen.

Star des Abends ist Maria Bengtsson als Fiordiligi

Maria Bengtsson und Ida Aldrian in Mozarts „Così fan tutte“ an der Staatsoper Hamburg
Maria Bengtsson und Ida Aldrian in Mozarts „Così fan tutte“ an der Staatsoper Hamburg © Jörn Kipping

Sébastien Rouland dirigierte mit einer ganz erstaunlichen Präsenz, gab die häufigen Wechsel in der Dynamik deutlich vor und leitete so eine gut ausdifferenzierte und lebendige Vorstellung. Star des Abends war ohne Zweifel Maria Bengtsson als Fiordiligi, die mit einem höchst eindringlichen Piano begeisterte und in ihrer tief emotionalen Interpretation der Partie zeigte, dass Mozart dafür Verständnis hatte, dass die Figuren, artifiziell hin oder her, tatsächlich genau so empfinden, wie sie es schildern. Beeindruckend war auch die Leistung von Ida Aldrian, die kurzfristig für Stephanie Lauricella eingesprungen war und nur drei Tage Zeit hatte, um sich in die Inszenierung einzuarbeiten.

Alles in Allem eine Opernpremiere, bei der alle Ebenen harmonisch ineinandergriffen, denn die Inszenierung ist kein optischer Overkill, sondern lässt Raum für die Musik und ist damit eine wirklich runde Sache. Kein Wunder, dass das Publikum in der Staatsoper Hamburg ziemlich begeistert von Fritschs „Così fan tutte“ war.

Herbert Fritsch sprich über seine Inszenierung:

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Mehr Informationen

Staatsoper Hamburg
Mozart: Così fan tutte

Sébastien Rouland (Leitung), Herbert Fritsch (Regie & Bühne), Victoria Behr (Kostüme), Maria Bengtsson, Ida Aldrian, Kartal Karagedik, Dovlet Nurgeldiyev, Sylvia Schwartz, Pietro Spagnoli, Philharmonisches Staatsorchester Hamburg

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