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Opern-Kritik: Semperoper Dresden – Das Rheingold/Die Walküre

Dresden schlägt Bayreuth

(Dresden, 13./14.1.2018) Christian Thielemann startet mit seiner hinreißend disponierten Staatskapelle seinen ersten kompletten Dresdner „Ring“-Zyklus

vonKirsten Liese,

Am Anfang ist es lange still. Christian Thielemann gibt den ersten Einsatz für das Kontrafagott erst, als kein Mucks mehr durch den Saal dringt. Dann baut sich in aller Ruhe und Transparenz der Orchesterklang auf. Eine pure Wonne sind die ihn dominierenden Hörner, makellos intoniert, voll, kompakt und dunkel. Als der geniale Wagnerdirigent den „Ring des Nibelungen“ zuletzt vor acht Jahren in Bayreuth dirigierte, erstrahlte das Blech gewiss ebenso prächtig, aber das haben großartige Aufführungen nun mal an sich, dass einem jede neue immer noch packender und besser erscheint als die vorige.

Willy Deckers Wagner-Welttheater

Erstmals dirigiert Thielemann den gesamten „Ring“ in zwei Zyklen in Dresden. Die schon ältere Inszenierung für diese festspielwürdigen Repertoire-Aufführungen besorgte Willy Decker, der die Parabel um Macht und Liebe in einer Art Weltentheater mit vielen wellenförmig angeordneten Stuhlreihen ansiedelt. Sie reicht nicht an die legendäre Zeittunnel-Produktion von Götz Friedrich heran, mit der Thielemann als junger Korrepetitor an der Deutschen Oper Berlin, seiner einstigen musikalischen Heimat, groß wurde, sie bietet aber zumindest handwerkliche Solidität.

Szenenbild aus "Das Rheingold"
Das Rheingold/Semperoper Dresden © Klaus Gigga

Dresden schlägt Bayreuth

Der Andrang auf die Karten ist gewaltig, für nicht wenige ist die Semperoper mit diesem hochkarätigen Opernereignis die denkbar beste Alternative zu Bayreuth, wo das künstlerische Niveau in den vergangenen Jahren stark herunter ging. Anders als auf dem Grünen Hügel, wo sich der Graben den Blicken des Zuschauers entzieht, kann man in der Semperoper von den Rängen aus auf ihn schauen. Das lohnt sich, lotet doch Thielemann die theatralischen Effekte der Bühnenmusik ideenreich mit räumlichen Effekten aus.

Das zeigt sich vor allem in der Nibelheim-Szene, in der Alberich seinen Bruder Mime dazu anhält, aus dem erbeuteten goldenen Schatz jenen Ring zu schmieden, der ihm die Herrschaft über die Welt sichern soll. Plötzlich öffnen sich aus der hinteren Wand des Grabens zwei Türen, dahinter verbergen sich die Ambosse, die für einige Takte lautmalerisch das musikalische Geschehen dominieren.

Szenenbild aus "Das Rheingold"
Das Rheingold/Semperoper Dresden © Klaus Gigga

Eine unverbrauchte Traumbesetzung

Aber auch die Harfen kommen noch stärker zur Geltung, wenn zwei davon wie hier zum Einzug der Götter in ihre Burg Walhall oberhalb des Grabens aus einer Proszeniumsloge spielen. Ein großer Trumpf für den Dresdner „Ring“ ist vor allem die unverbrauchte, grandiose Traumbesetzung, die Thielemann vor acht Jahren bei seinem Bayreuther „Ring“ noch nicht zur Verfügung stand.

Auf den Schweiz-Ukrainer Vitalij Kowaljow war man im vergangenen Jahr zur Jubiläumsausgabe der Osterfestspiele Salzburg schon aufmerksam geworden. Inzwischen ist sein Bass enorm gewachsen, sein Göttervater in der „Walküre“ im Disput mit seiner spießigen Gattin Fricka ist noch trauriger – und im Streit mit der vermeintlich ungehorsamen Wunschmaid noch grimmiger geworden. Bei alledem singt er seinen Wotan schlank und kultiviert, wie man ihn seit den großen Zeiten eines Donald McIntyre nicht mehr gehört hat.

Sänger und Orchestersolisten inspirieren sich gegenseitig

Szenenbild aus "Die Walküre"
Die Walküre/Semperoper Dresden © Klaus Gigga

Neben Kowaljow gibt Petra Lang, die so klug war, behutsam in die schwierige Partie der Brünnhilde hineinzuwachsen, die sie 2013 erstmals konzertant in einem Berliner Wagnerzyklus von Marek Janowski einstudierte, eine wunderbar jugendliche Brünnhilde mit strahlenden, schlanken Spitzentönen, wie man sie nur selten hört. Angelegentlich wirkt die Stimme vielleicht noch ein bisschen klein, aber da, wo sie in magischen Momenten im Lyrischen erblüht („Der diese Liebe mir ins Herz gelegt“), leuchtet sie überirdisch schön. Unwillkürlich bezaubern solche Klänge den ohnehin auf Sänger seismografisch reagierenden Dirigenten, der entsprechend die Nuancen mit seiner Kapelle noch mehr ausreizt, insbesondere die Soli in Oboe und Klarinette spielen gleich noch zärtlicher, anrührender und leiser.

Alles wie aus einem Guss

Mithin wirkt die Musik zwischen Graben und Bühne aus einem Guss, und Passagen, bei denen man in vielen anderen Aufführungen schon aufatmete, wenn sie mit unschönem stimmlichen Dauerflackern überstanden waren, wühlen hier, nicht zuletzt seitens großer szenischer Darstellungskraft, zutiefst auf. Besonders die große Szene, in der sich Brünnhilde ihrem allzu unversöhnlichen bitteren Vater gegenüber rechtfertigen muss, geht stark an die Nieren. Wie das Orchester zu seinem dynamischen Höhepunkt aufschäumt, Vater und Tochter, noch sichtlich mitgenommen von ihrem Disput, ein letztes Mal vor ihrem ewigen Abschied aufeinander zulaufen und sich fest in die Arme schließen, rührt zu Tränen.

Auch das übrige Ensemble ist mit Peter Seiffert (Siegmund) und Georg Zeppenfeld (Fasolt/Hunding), die mit Stimmgewalt ihre Triumphe vom vergangenen Jahr bei den Osterfestspielen Salzburg wiederholen, als starken Zugpferden an der Spitze bestens aufgestellt. Das blendend aufgelegte Orchester bekräftigte seinen exzellenten Ruf indes nicht nur mit diversen erstklassigen Bläsersolisten, vielmehr blieb dem kundigen Ohr auch nicht verborgen, dass die Streicher im Laufe der Zeit klanglich noch homogener geworden sind. Insbesondere die in der „Walküre“ stark geforderte Cellogruppe stellte das unter Beweis.

Szenenbild aus "Die Walküre"
Die Walküre/Semperoper Dresden © Klaus Gigga

Mit dem denkbar schönsten Ton eines Weltklassemusikers spielte der Solocellist das sehnsuchtsvolle, zärtliche Solo, das die aufkeimende Liebe zwischen den Zwillingen Siegmund und Sieglinde ankündigt, die große Klasse zeigte sich aber auch in den zahlreichen wilden Aufgängen und Unisono-Motiven. Nicht eine Schwebung schlich sich da mehr ein, die ganze Gruppe spielte wie ein Mann. Den letzten Ton von „Wotans Abschied“ in der „Walküre“ lässt Thielemann ganz lange in tiefster Stille ausklingen. Bewegend ist das, und das feinfühlige Dresdner Publikum geht konzentriert mit. Umso stärker wird später gejubelt.

Szenenbild aus "Die Walküre"
Die Walküre/Semperoper Dresden © Klaus Gigga

Semperoper Dresden
Wagner: Das Rheingold/Die Walküre

Christian Thielemann (Leitung), Willy Decker (Regie), Wolfgang Gussmann (Bühne & Kostüme), Frauke Schernau (Kostüme), Vitalij Kowaljow (Wotan), Kurt Streit (Loge), Albert Dohmen (Alberich), Gerhard Siegel (Loge), Georg Zeppenfeld (Fasolt & Hunding), Karl-Heinz Lehner (Fafner), Christa Mayer (Fricka), Janina Baechle (Erda), Peter Seiffert (Siegmund), Elena Pankratova (Sieglinde), Petra Lang (Brünnhilde), Staatskapelle Dresden

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