Dietrich W. Hilsdorfs erster „Ring“ beginnt brillant. Dieter Richter hat wieder einmal einen seiner großbürgerlich-trutzigen Einheitsräume gebaut, in denen es sich so gut singen lässt. Und Hilsdorf erzählt die komplexe Geschichte nicht nur sauber, sondern auch witzig und mit einer Unzahl von Details, von denen nicht eines beliebig wirkt. Natürlich ist nicht für jedes Rätsel, jedes kleine Dingsymbol, jedes Bild im die Bühne hinten begrenzenden Projektionsspiegel, gleich eine Bedeutung zu konstruieren. Aber da warten ja noch zwölf Stunden Musik, die in den nächsten Monaten und Jahren darüber Aufschluss geben können.
Verbindungslinien zum 19. Jahrhundert
Solange spielt dieses „Rheingold“ in Düsseldorf in erster Linie – im Theater. Wenn von Walhall die Rede ist, gehen die Lichter im Zuschauerraum an und die Figuren schauen wissend und sehnend ins Publikum. Natürlich gibt es die üblichen Verbindungslinien zum 19. Jahrhundert, die seit Patrice Chéreaus legendärer Bayreuth-Inszenierung fast unerlässlich sind. Es gibt Irritationen, etwa in der Nähe Loges (Norbert Ernst mit nicht genügenden stimmlichen Mitteln, aber elegantem Spiel) zu den grandios und überraschend stimmkräftig gesungenen Rheintöchtern oder Wotans Auftritt im Rollstuhl mit verhülltem Gesicht. Daneben steht Konventionelles. Der Tarnhelm sieht aus wie immer, Speer und Ring tauchen auf und werden bedient. Überraschend gesellt sich bereits im „Rheingold“ das Schwert Nothung dazu. Wotan trennt Alberich damit die ringbewehrte Hand ab, und Fafner will es nicht haben für seinen Schatz, er gibt es Wotan zurück.
Zweieinhalb Stunden vergehen wie nichts
Originelle Lösungen findet Hilsdorf für Alberichs Verwandlungen, hübsche theatralische Verniedlichungen für Gewitter und Regenbogenbrücke. Das Wichtige: Dieses Rheingold ist ungemein kurzweilig, zweieinhalb Stunden vergehen wie nichts, das besonders in der Personenführung kenntliche perfekte Handwerk geht wunderbar mit den üppig gestreuten Interpretationsspurenelementen zusammen. Man ist tüchtig gespannt auf die Fortsetzungen.
Wagner-Gesang ohne Wagner-Mühen
Zumal hervorragend gesungen wird. Besonders die tiefen Männerstimmen nehmen für sich ein, der schlackenlose Schöngesang von Torben Jürgens als Donner, die souveräne Gestaltung des hier fast besessen abgeklärten Fafner durch Thorsten Grümbel, die Mühelosigkeit und der Charme, mit denen Bogdan Talos den Fasolt unerhört schön und ausdrucksstark singt. Dazu ein Wotan (Simon Neal) und ein Alberich (Michael Kraus), die stimmlich keine Mühe mit ihren Partien haben und sich als ausdrucksstarke und timingsichere Schauspieler zeigen.
Axel Kober sucht Klang- und Wirkungsmacht
Auch Generalmusikdirektor Axel Kober versucht eine eigene, durchaus eigenwillige Lesart des „Ring“-Auftaktes durchzusetzen. Er sucht stets den klang- und wirkungsvollen Moment, will das Geschehen klanglich grundieren, musikalisch kommentieren, scheint das Orchester nicht, wie im „Ring“ heute üblich, in vorderer Linie als erzählerische Instanz zu betrachten. Das führt zu wunderbaren Momenten, vor allem in den Konversationspassagen der zweiten und den knirschenden Ausbrüchen der dritten Szene, aber auch zu einem nüchternen, momentweise fast nebulös verschwimmendem Vorspiel, einer etwas grobschnitthaften Rheintöchter-Szene und einem ein wenig matten Schluss, mit beziehungslos nebenher tropfenden Harfentönen. Auch hier darf man gespannt sein, ob die Düsseldorfer Symphoniker sich weiter zu steigern vermögen, ob Kober seine Klangideen im Fortgang des Zyklus ausbaut und schärft und wie sich diese etwa auf die relativ tragisch geschlossene „Walküre“ anwenden lassen.
Trailer zur Iszenierung:
Deutsche Oper am Rhein
Richard Wagner: Das Rheingold
Axel Kober (Leitung), Dietrich W. Hilsdorf (Regie), Dieter Richter (Bühne), Renate Schmitzer (Kostüme), Simon Neal (Wotan), Michael Kraus (Alberich), Norbert Ernst (Loge), Renee Morloc (Fricka), Bogdan Talos (Fasolt), Thorsten Grümbel (Fafner), Susan MacLean (Erda), Cornel Frey (Mime), Sylvia Hamvasi (Freia), Torben Jürgens (Donner), Ovidiu Purcel (Froh), Anke Krabbe (Woglinde), Maria Kataeva (Wellgunde), Ramona Zaharia (Floßhilde)