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Opern-Kritik: Bayerische Staatsoper – Der Rosenkavalier

Frischzellenkur aus dem Geiste der Musik

(München, 11.2.2017) Kirill Petrenko macht auch aus einer Repertoire-Aufführung ein musikalisches Ausnahmeereignis

vonPeter Krause,

Er hat’s, was andere Dirigenten so gern hätten: das Genialitätsgen. In Repertoire-Aufführungen von Uralt-Inszenierungen kommt das seltene Gen sogar stärker zum Tragen als in Premieren, wo auch das pure Handwerk penibler Proben zum Erfolg führen kann. Nun aber dirigierte Kirill Petrenko, der Mann, der hat, was andere gern hätten, „Der Rosenkavalier“ in der librettotreuen Rokokopracht des Otto Schenk.

„Es war einmal“ – von der Nostalgie eines schönen Opernabends

Wer hat vor diesen schönen Bühnenbildern, die einst Jürgen Rose entwarf, nicht schon alles am Pult gestanden? Wer hat hier nicht schon alles Marschallinnen-Grandezza verströmt? Mit Ochs von Lerchenau-Derbheit für schnelle Lacher gesorgt? Mit Octavians Bubenerotik, die eigentlich eine weibliche ist, für Hosenrollen-Schlüpfrigkeit gesorgt? Lucia Popp, Kurt Moll, Brigitte Fassbaender haben hier Rollenbilder kreiert, die bis heute nachwirken. Der Genialische am Pult aber musste jetzt für Frische im doppelt nostalgischen Ambiente sorgen – dem „Es war einmal“ des Werks und dem „Oper ist einfach schön“ der Inszenierung, die längst dank erstaunlich faltenfreiem Facelift durch Spielleiter und Malersaal erfolgreich mit „nach einer Konzeption von Jürgen Rose und Otto Schenk“ firmiert.

Rosenduftige Streicher-Süße und einsames Weltniveau

Hanna-Elisabeth Müller, Angela Brower © Wilfried Hösl

Ja, Kirill Petrenko kann sie, die Frischzellenkur aus dem Geiste der Musik, er kann’s wie nur wenige Meister seines Metiers. Er lässt Richard Strauss blühen und feiert einen Triumph. Der Münchner Noch-GMD, der als Nachfolger von Simon Rattle Chef der Berliner Philharmoniker wird, steigt in jeden Akt mit furiosen Tempi ein, er kitzelt die motivische Erregtheit, die meist auch eine erotische ist, als musikalische Beredsamkeit heraus. Er fächert den kontrapunktisch durchwirkten Orchestersatz auf, verfolgt eine edle Verfeinerungstaktik, evoziert eine seidige Eleganz und rosenduftige Streicher-Süße, die dennoch nie süßlich oder sentimental werden muss, um ihre maximale Wirkung zu entfalten. Für die Marschallinnen-Melancholie nimmt er sich dann aber auch alle Zeit der Welt, atmet mit der wunderbaren Anja Harteros, formt mit ihr jede Silbe früher Altersweisheit und hebt ihre Sopran-Aristokratie auf den Gipfel der Opern-Idealität. Einfach mal eingesprungen ist Anja Harteros an für ihre erkrankte Kollegin Anne Schwanewilms und hebt diesen Abend mal eben auf einsames Welt-Niveau. Ein zweiter Zauber-Sopran glänzt an ihrer Seite – wiederum als Ersatz: Golda Schultz singt die Sophie mit sehr seltenem Sopran-Gold, hinreißend in der Mimik, der präzisen Diktion, der mädchenhaften Strauss-Duftigkeit.

Von dominanten Rollenvorbildern und eigenen Wegen

Mit ihrer hellen Mezzo-Timbrierung fast ein dritter Sopran: Angela Brower als Octavian. Sympathieträgerin auch sie, im Spiel allzu nobel, stimmlich eine Spur zu klein, jedenfalls auf einem akustisch suboptimalen Randplatz links im Parkett, wo die Holzbläser im Forte zu scharf hervortreten und die Sänger mitunter untergehen. Abschied vom größten Rollen-Vorbild in dieser Inszenierung muss man beim Ochs nehmen, schließlich prägte Kurt Moll als Gottvater der Bässe die Figur wie vor ihm nur Kurt Böhme oder Karl Ridderbusch. Günther Groissböck indes löst sich vom großen Vorgänger, der auf der Bühne des Nationaltheaters anno 2006 seine letzte Vorstellung sang. Groissböck gibt einen juvenilen, ernstzunehmenden Ochs irgendwo zwischen einem späten Don Giovanni und einem frischen Falstaff, ein Mann jedenfalls, der noch voll im Saft steht, dessen sexuelle Absichten weniger Wunschdenken als konkrete Möglichkeiten darstellen.

Bayerische Staatsoper München
R. Strauss: Der Rosenkavalier

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