Startseite » Oper » Opern-Kritiken » Nacht und Schnee

Opern-Kritik: Oper Köln – Don Giovanni

Nacht und Schnee

(Köln, 5.3.2016) Mozarts Oper aller Opern in ungewohnter Optik – und als Orchesterereignis eines Meisterdirigenten

vonAndreas Falentin,

Vielleicht ist alles ein Traum. Am Anfang sitzt Don Giovanni an einem Tisch auf der fast leeren Bühne. Es ist Nacht. Es schneit. Der Schnee bleibt liegen. Und es wird nicht hell in den nächsten drei Stunden. Don Giovanni begreift sich als Mittelpunkt einer kalten Welt und macht eine Identitätskrise durch. Vielleicht.

Momente großer Zärtlichkeit

Das Pfund, mit dem die Regisseurin Emmanuelle Bastet wuchert, ist das Bühnenbild von Tim Northam. Es besteht aus sich ausbreitenden, herein- und herumfahrenden und -schwingenden Metallgittern, die den Don immer mehr vom Leben abzuschneiden scheinen. Sie passen grandios in die alte Messehalle und geben der Regisseurin die Möglichkeit, ungewöhnliche Bilder zu erfinden. Immer wieder gelingen auch, bewusst gegen die Atmosphäre gesetzt, Momente großer, nicht kalt lassender Zärtlichkeit. Aber die Anfangsbehauptung wird nicht weiterentwickelt, auch wenn Bastet auf alle Verkleidungen, Maskierungen und Verstellungen der Figuren konsequent verzichtet. Vom Ende her betrachtet – der Don liegt tot am Boden, es ereignet sich das wunderbare Sextett, und das Licht geht aus – kann der Inszenierung wenig Stringenz zugeschrieben werden, was schade ist.

Kölns neuer Generalmusikdirektor bringt die Partitur zu sehnig-schlankem Funkeln

Anderes ereignet sich im Orchestergraben. Jeder Takt scheint akkurat und stimmig erarbeitet worden zu sein und allen Beteiligten die Freiheit zu eigenständiger, spontaner Phrasierung gegeben zu haben. In den Holzbläsern ereignen sich kleine Wunder, säuselt weise das Fagott, pfeift frech die Flöte, werden Details hörbar, die überaus selten zu hören sind. Spätestens ab der Auftrittsszene von Zerlina und Masetto wird geradezu magisch musiziert. Das Accompagnato-Rezitativ vor der großen Anna-Arie etwa wird durch extreme, dabei stets transparente und die Stimme nie zudeckende Dynamik zum atemberaubenden Psychogramm. Auch die vielen großen Ensembles auf der Bühne sind überaus feinsinnig austariert. Es ist unbestritten ein Meisterdirigat, was Kölns neuer Generalmusikdirektor Francois-Xavier Roth hier abliefert. Mit kleiner Orchesterbesetzung und großer Eleganz bringt er die Partitur zu nicht enden wollendem sehnig-schlankem Funkeln.

Stimmiges Ensemble biegsamer Stimmen

Und hat sich eine dementsprechende Sängerbesetzung zusammengestellt – biegsame Stimmen, die durch Mozarts dramatische Spannweite durchaus stark gefordert sind. Julien Behr etwa hat mit dem Ottavio zu kämpfen, gewinnt aber, mit bildschönem Timbre, natürlichem Spiel und berührenden Lyrismen, etwa am unendlich langsam genommenen Beginn von Dalla sua pace. Vannina Santoni hat es mit der Donna Anna sogar noch schwerer. Bei den Kölner Ensemblemitgliedern Regina Richter (Donna Elvira) und Aoife Miskelly (Zerlina) dagegen leuchtet jeder einzelne Ton klangschön und selbstverständlich – und die differenziert geführten Stimmen füllen den Raum mühelos. Tareq Nazmi singt einen schlichten, klangvollen Leporello ohne Buffo-Mätzchen, und Jean-Sébastien Bou ist Don Giovanni, ein beweglicher Elegant, ein gramumflorter Dämon der Verführung. Dass seine Stimmkräfte zwischenzeitlich immer wieder mal nachlassen, er etwa eine etwas löchrige Champagnerarie singt, erscheint so verzeihlich. Das Kölner Publikum reagierte bei der Premiere gerade auf das Orchester mit sehr müdem Applaus. Als wäre es ihm nicht laut genug gewesen. Das wird Francois-Xavier Roth hoffentlich nicht davon abhalten, in ähnlicher Richtung weiter zu arbeiten!

Oper Köln im Staatenhaus

Mozart: Don Giovanni

Francois-Xavier Roth (Leitung), Emmanuelle Bastet (Regie), Tim Northam (Ausstattung), Andrew Ollivant (Chor), Theresia Renelt (Hammerklavier), Jean-Sebastien Bou, Tariq Nazmi, Vannina Santoni, Julien Behr, Regina Richter, Aoife Miskelly, Luke Stoker, Avtandil Kaspeli, Chor der Oper Köln, Gürzenich-Orchester Köln

Auch interessant

Rezensionen

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!