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René Kollo 85. Geburtstag

Lebende Legende

René Kollo, der größte deutsche Heldentenor seiner Generation, wird heute 85 Jahre alt.

vonPeter Krause,

Ob als Tristan, Tannhäuser oder Siegfried, als Otello, als Peter Grimes: René Kollo gab immer alles. Er ging gern ins Risiko, sang mit seinem ungewöhnlich hellen Heldentenor über fünf Jahrzehnte an der Weltspitze des dramatischen Fachs: in Berlin, Hamburg und München, in Barcelona, San Francisco und Tokyo. Stets hatte man ob der Unbedingtheit seiner sängerdarstellerischen Intensität den Eindruck, es könnte die letzte Vorstellung sein, die er da singt. „Ich habe, was ich gemacht habe, mit Begeisterung gemacht. Was mir heute bei vielen Sängern fehlt, ist dieses Mitreißen-wollen. Ich wollte und musste das Publikum mitreißen.“

Geprägt hat ihn in diesem Sinne die vor ihm liegende Sängergeneration einer Leonie Rysanek oder eine Marta Mödl – zumal in Bayreuth, wo er mit Anfang dreißig debütierte. „Alles, was man auf der Bühne macht, muss total sein oder gar nicht.“ Jede Vorstellung ist anders, hängt von der aktuellen stimmlichen Verfassung ab, von der Akustik im Haus, von den Dirigenten.

„Ganz schlecht kannst du ja nicht sein“

Nach dem ersten Engagement in Braunschweig anno 1965 wurden letztere schnell auf den jungen Tenor aufmerksam, der zunächst Schauspieler oder sogar selbst Dirigent werden wollte. Georg Solti nahm mit ihm den „Tannhäuser“ auf, Herbert von Karajan holte ihn für den Stolzing in „Die Meistersinger von Nürnberg“, übrigens Kollos Lieblingsheld von Wagner, weil er so „ein völlig frecher, arroganter Kerl ist, der von oben herunterkommen muss.“ Auf einmal wollten alle den Sänger. „Da habe ich mir gesagt: Also, wenn Karajan dich will, Böhm dich will, Solti dich will, Bernstein dich will, ganz schlecht kannst du ja nicht sein.“ René Kollo lacht. „Ich hatte gar keine Zeit zum Nachdenken. Diese ganzen Götter am Pult, die sich jetzt schon alle aus dem Staub gemacht haben nach oben – das ist mir später erst klar gewesen, mit wem ich da eigentlich zu tun gehabt habe. Und heute, wenn ich sehe, was da so dirigiert … na ja.“

Immerhin einen heutigen Magier am Pult freilich lässt Kollo gelten: Christian Thielemann. Mit ihm gab Kollo an der Deutschen Oper Berlin an der Seite von Gabriele Schnaut seine letzte Vorstellung als Tristan. „Thielemann ist eben ein dramaturgischer Dirigent. Er dirigiert nicht nur Töne, sondern verdeutlicht, warum da jetzt eine Pause sein muss oder ein Ton verlängert werden sollte.“

René Kollo blickt skeptisch in die Zukunft der Oper

Meinungsstark gibt sich Kollo in Fragen der Regie, die er für überbewertet hält. „Es gibt so viel Wichtigtuerei. Sie bringen ja als Regisseur nur eine Karriere zustande, wenn sie etwas machen, worüber sich alle aufregen. Dann werden sie wieder engagiert.“ Mit Jean-Pierre Ponnelle habe er sehr gern gearbeitet. Der früh verstorbene Meisterregisseur habe beim legendären, gemeinsam erarbeiteten Bayreuther „Tristan“ auch auf den Sänger und dessen Wünsche gehört und geachtet.

Doch Kollo, den man nach dem Ende seiner Wagner-Karriere immer wieder als Gast der Generalproben der Bayreuther Festspiele treffen konnte, nimmt sehr wohl wahr, was es heute an großen Leistungen im Opernfach gibt. Michael Volles Hans Sachs sei der beste, den er je gehört habe. Und „Die Meistersinger von Nürnberg“ in der Regie von Stefan Herheim bei den Salzburger Festspielen seien ein echter Wurf gewesen. Dennoch sieht der Heldentenor die Zukunft der Oper skeptisch, fürchtet immer weitere Sparrunden für die Kultur, leidet darunter, wie schlecht junge Sänger bezahlt werden. „Drei Prozent des Haushalts für Kultur auszugeben, wäre mal eine Ansage. Es ist doch alles abhängig davon, ob man Kultur wirklich will. Und die kostet eben.“

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