Trotz seiner über 14 Stunden Musik und seiner gewaltigen Anforderungen an alle Bereiche unserer immer weniger großzügig finanzierten Opernhäuser ist Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ auf den Spielplänen präsenter denn je. In Chemnitz, Düsseldorf und Oldenburg entstehen neue Zyklen, Karlsruhe und Kiel schließen ihre „Ringe“ in dieser Spielzeit mit der „Götterdämmerung“ ab. Der Hamburger GMD Kent Nagano und das sonst eher in der Barockmusik tätige Concerto Köln forschen in einer auf mehrere Jahre angelegten Initiative nach dem historischen Originalklang der Tetralogie, und am Theater an der Wien werden die Regisseurin Tatjana Gürbaca und der Dirigent Constantin Trinks im Dezember die Oper komplett zerlegen und als gekürzte Trilogie neu erzählen.
In diesem Kontext erscheint ein äußerst ungewöhnliches Vorhaben der Kindersparte der Oper Köln doppelt interessant. Hier wird in den nächsten vier Jahren ein kompletter „Ring des Nibelungen“ für Kinder ab acht Jahren entstehen. Ein Vierteiler für Kinder, der, wenn er als Zyklus aufgeführt wird, immerhin eine Länge von fast fünf Stunden haben wird, ist durchaus etwas Neues, zumal Wagners Vorlage nicht gerade arm an expliziter Gewalt und Sexualität ist.
Wenn schon ein „Ring“ für Kinder, dann bitte richtig!
Brigitta Gillessen, die Leiterin der Kölner Kinderoper und Regisseurin des neuen „Ring“, erzählt, dass es in Köln zunächst die Überlegung gab, einen „Ring an einem Abend für Kinder“ zu zeigen. Aber nach ausführlichen Konzeptionsgesprächen habe Intendantin Birgit Meyer anders entschieden: „Dann gleich richtig!“ Und Gillessen machte sich mit Rainer Mühlbach, dem musikalischen Leiter der Kinderoper und des Opernstudios, aus dem sich üblicherweise die Sänger für die Kinderoper rekrutieren, an die Strichfassung.
Die Auswahl-Kriterien liegen für ihn auf der Hand: „Welche Figuren sind für die Kinder interessant? Welche Momente sind besonders theatral und wirkungsvoll? Auf die wollen wir nämlich auf keinen Fall verzichten.“ Und so scheut man auch vor den vielen Verbrechen und Gewalttaten nicht zurück. Das heißt etwa im „Rheingold“: „Man kann eigentlich nicht weglassen, wie Fafner Fasolt erschlägt. Aber man muss es so zeigen, dass es unseren Zuschauern nahegeht, dass da einer seinen Bruder erschlägt, um an das Gold zu kommen.“
Sehr wichtig ist dem Produktionsteam die Verständlichkeit der Handlung, weswegen man sich entschlossen hat, kurze, prägnante Dialoge einzuführen, um im Rheingold beispielsweise die Verhandlungen Wotans mit den Riesen detailliert und spannend vermitteln zu können. Inhaltlich interessieren Brigitta Gillessen vor allem „der soziale Gedanke und die ökologische Komponente. Wir finden den Aspekt der Gier am spannendsten, wie alle Figuren ohne Rücksicht auf Verluste diesem Ring hinterherjagen, ohne zu merken, was dabei zerstört wird. Für uns ist dieses Gold, gerade im Rheingold, wo es ja sozusagen im Urzustand da ist, ein Symbol für den Reichtum der Natur, für unsere Lebensgrundlage, an der wir Raubbau treiben.“
Oper Köln: 18 Instrumentalisten für eine Wagner-Oper
Das alles wird sich im veränderlichen Einheitsbühnenbild von Christof Cremer abspielen, der schon mit seinen sehr attraktiven Ausstattungen für Orffs „Die Kluge“ und das Tanzstück „Zwischen den Seiten“ gezeigt hat, wie gut er mit den Bedingungen und Beschränkungen im Staatenhaus als Ausweichquartier der Kölner Oper zurechtkommt. Die Opernstudiosänger werden um Ensemblemitglieder der „großen Oper“ ergänzt, wie Judith Thielsen, die im „Rheingold“ gleich als Fricka, Erda und Flosshilde zu erleben sein wird. Rainer Mühlbach selbst dirigiert ein 18-köpfiges Orchester.
Und für die Instrumentierung hat die Oper Köln Stefan Behrisch gewinnen können, einen echten Orchestrierungsprofi, der schon für Quincy Jones, Hans Zimmer und die WDR-Bigband tätig war und auch die Musik für die „Bibi & Tina“-Filmreihe arrangiert hat. Die Kölner Kinderfassung soll also „nicht nur einfach eine Reduzierung und Ausdünnung sein“, wie Brigitta Gillessen erklärt, „sondern wir wollen diese Farben, diesen Wagner-Klang wirklich hinkriegen.“ Man darf also in vielerlei Hinsicht sehr gespannt sein.
Porträt über die Kinderoper Köln: