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Opern-Feuilleton: Ein neues Opernhaus für Hamburg

Exzellenz und Experiment

Der Milliardär, Mäzen und Musenfreund Klaus-Michael Kühne schenkt Hamburg ein neues Opernhaus an der Elbe.

vonPeter Krause,

Als Tobias Kratzer seine erste Saison als designierter Intendant der Hamburgischen Staatsoper präsentierte, wurde bereits in der Wahl des Ortes seiner Pressekonferenz deutlich: Der Bayer, den es an die Elbe zieht, setzt nicht auf Repräsentation, sondern auf Integration. Er will die konsequente Öffnung der Oper hin zu einem „breiten, diversen Publikum“. Also lud er gemeinsam mit Ballettchef Demis Volpi und dem neuen Generalmusikdirektor Omer Meir Wellber in einen Stadtteil ein, der so gar nichts mit der angeblichen Abgehobenheit der Gattung zu tun hat: Man traf sich in Rothenburgsort, wo sich unweit des einstigen Güterbahnhofs heute die Werkstätten der Staatsoper befinden.

In Hamburgs wildem Osten mischen sich Gewerbe- und Industriebauten mit Kleingärten, wer hier im 19. Jahrhundert wohnte, gehörte meist zu den Hafenarbeitern. Heute ist die Ausländerquote ebenso überdurchschnittlich hoch wie das Durchschnittseinkommen niedrig. Der Symbolik nicht genug: Kaum drei Kilometer von hier liegt das Hafenbecken des Baakenhöft als kleiner östlicher Ausläufer der Hafencity. Just auf diesem bislang noch eher unwirtlichen Eiland soll nun der spektakuläre Neubau eines Operntempels entstehen, nachdem in Sichtweite am anderen Ende der Hafencity bereits Deutschlands meistdiskutiertes Konzerthaus gen Himmel ragt: jene Elbphilharmonie, die 2017 ihre Pforten öffnete – nach Jahren der Bauverzögerungen und der Kostenexplosionen.

Beides soll sich nun tunlichst nicht wiederholen. Denn die Hansestadt stellt zwar das Grundstück zur Verfügung und erschließt es. Den eigentlichen Bau des Prachtgemäuers aber will die Kühne-Stiftung komplett finanzieren. Nach der Fertigstellung geht es dann ins Eigentum der Stadt über, und die Hamburgische Staatsoper darf in das neue Haus einziehen. Das traditionsreiche Operngebäude an der Dammtorstraße soll danach anderweitig kulturell genutzt werden.

Vertrag mit absoluter hanseatischer Seriosität

Die in einem langen, detaillierten, in diesem Februar notariell geschlossenen Vertrag zur Realisierung beschlossene Vision ist so kühn, wie der Namensgeber der Stiftung und des dahinterstehenden Logistikkonzerns es nahelegt: Der Milliardär, Mäzen und Musenfreund Klaus-Michael Kühne, Jahrgang 1937, könnte sich damit ein Denkmal setzen und seiner Geburtsstadt ein Geschenk machen, das diese kaum ablehnen wollte, nachdem jedenfalls die ersten, noch allzu wilden Ideen vom Tisch waren: Zunächst sollte für den Neubau das denkmalgeschützte Haus im Herzen der Stadt abgerissen werden, um darauf von dem mittlerweile in Untersuchungshaft sitzenden, insolventen René Benko ein Immobilienprojekt zu errichten.

Der jetzige Vertrag gleicht nun aber absoluter hanseatischer Seriosität und entbindet die Stadt von möglichen Kostensteigerungen während der Bauphase. Denn für die Planung und den Bau des Opernhauses hat die Kühne-Stiftung eine Gesellschaft gegründet, an der die Stadt und die Staatsoper nur als Minderheitsgesellschafter beteiligt werden. Auf Basis einer theaterfachlichen Vorplanung wird zuerst ein architektonisches Qualifizierungsverfahren durchgeführt. Nach Fertigstellung der Vorplanung und einer entsprechenden Kostenschätzung wird die Kühne-Stiftung abschließend über die Realisierung des Opernbaus entscheiden. Ein Restrisiko des Scheiterns bleibt also.

„Inhalt statt Hülle“

Die zwischen den Zeilen herauszulesenden Zeichen inTobias Kratzers erster Pressekonferenz stimmen indes hoffnungsvoll. Denn da gab Hamburgs kluger Kultursenator Carsten Brosda zu Protokoll, wie sehr es beim Denken eines neuen Opernhauses um „Inhalt statt Hülle“ gehen müsse. Dahinter steckt so sehr eine Selbstverpflichtung wie im künstlerischen Versprechen des neuen Intendanten, der feststellte, Hamburg habe spätestens seit der legendären Ära von Rolf Liebermann „das experimentellste der großen deutschen Opernhäuser“. Der Neubau muss genau diesen Anspruch weiterdenken.

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