Vielleicht liegt’s daran, dass seine Interpretationen keinerlei Diskussionen mehr bedürfen. Auf jeden Fall zerbrechen sich Kollegen, Kritiker und Zuhörer seit Jahren den Kopf, wie ein Künstler wie Rudolf Buchbinder mit einem Übungspensum von etwa drei Stunden am Tag zurechtkommt. Der Wiener mit tschechischen Wurzeln pflegt darauf zu antworten, dass er doch 24 Stunden am Tag übe, wenn auch nicht immer am Klavier. Das erklärt auch, weshalb seine Interpretationen ein und desselben Werks so verschiedenartig klingen können, denn der Pianist sucht und findet stets Neues in den Kompositionen.
Unweigerlich wird der Name des Pianisten mit seinen Beethoven- und Mozartinterpretationen assoziiert – ein Phänomen, das er mit Friedrich Gulda teilt, der wie Buchbinder mit zwölf Jahren unter die Fittiche von Bruno Seidlhofer an der Wiener Musikakademie kam. Dennoch gilt Buchbinder – wie es auch beim sechzehn Jahre älteren Gulda der Fall war – als Enzyklopädist unter den Pianisten, der sich in allen Epochen wohlfühlt. Seit 2007 leitet der literatur-, malerei- und filmbegeisterte Konzertpianist zudem das Musik-Festival Grafenegg.