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László Fenyő spielt Bachs Cellosuiten

Fünf Abschriften und kein Autograf

László Fenyő sucht mit Bachs Cellosuiten den Ausgleich zwischen Logik und Empfindung

vonChristian Schmidt,

Vielleicht hat Johann Sebastian Bach hier analytisches Denken und musikalische Empfindung am besten in kongenialer Meisterschaft zusammengeführt: Seine sechs Cellosuiten gelten als Königsdisziplin für einen Cellisten, für den sie den Kern seiner Sololiteratur bilden, und überragen durch ihre zeitlose Schönheit und innere Logik. Dabei liegt die Herausforderung nicht nur darin, dass es Solowerke sind, die im Zweifel über einen ganzen Abend tragen müssen und deswegen die Konzentration auf der Bühne und im Publikum gleichermaßen fordern. Zudem fordern sie den Cellisten in besonderer Weise auf der Suche nach einer eigenen Interpretation, weil es kein Autograf der Werke gibt, dafür aber allein fünf Abschriften, die nicht nur im Notentext, sondern auch bei den dynamischen und artikulatorischen Spielanweisungen teils erhebliche Unterschiede aufweisen, die ihrerseits gleichwohl kaum authentisch sein dürften.

László Fenyő: Jedes Konzert ein Ausnahmeereignis

So muss sich jeder Cellist, der etwas auf sich hält, früher oder später eigenverantwortlich mit den sechs Suiten auseinandersetzen – gleichgültig ob er sie als Zyklus oder doch eher als Sammlung begreift. Das gilt umso mehr, wenn man wie László Fenyő den Beginn seiner Solokarriere einem Wettbewerb verdankt, der den Namen des legendären Vorbilds Pablo Casals trägt. Der berühmte Katalane soll nämlich 13-jährig eine Abschrift der Bach-Suiten in Barcelona entdeckt haben und gilt mit seinen frühen Aufnahmen aus den Dreißigerjahren nicht nur als stilprägend für die Musik selbst, sondern auch als Pionier der Diskografie generell.

Trotzdem stellt ein Livekonzert mit Bachs Cellosuiten immer noch erheblich andere Ansprüche, wobei kein Zweifel daran bestehen kann, dass László Fenyő die hohen Erwartungen im Kleinen Saal der Elbphilharmonie auf seinem Goffriller-Instrument von 1695 erfüllen wird. Denn der 44-Jährige, der bei niemand Geringerem als David Geringas studierte und inzwischen selbst Meisterkurse gibt, zählt weltweit zu den führenden Cellisten seiner Generation. Dabei macht der vielfach preisgekrönte Ungar jedes Konzert zu einem Ausnahmeereignis, weil sich zu seiner atemberaubenden Technik eine Ausdrucksstärke gesellt, die sowohl wissenschaftlich begründet als auch glühend intui­tiv direkt aufs Herze zielt.

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