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Kurz gefragt Thomas Hampson

Nicht nur Entertainment

Thomas Hampson ist DER amerikanische Bariton – und als Konzertsänger und in der Oper gleichermaßen erfolgreich. Hier spricht er über …

vonChristian Schmidt,

…Tenöre

Wenn Sie’s originell haben wollen: Sie werden gebraucht. – Nein, Eifersüchteleien dürfen Sie nicht von mir erwarten. Mein verehrter Lehrer Horst Günther, der im vergangenen Jahr starb, hat immer gesagt: Ein lyrischer Bariton muss immer tenoral singen können, das ist kein hochgeschobener Bass. Das Training ist das gleiche.

… Carl Loewe

Dieser große Meister wird weithin unterschätzt. Er hatte mit seiner Kunst, Geschichten zu erzählen, Einflüsse auf Brahms, Schubert und sogar Wagner. Er war nicht nur der Melancholiker und Balladenheld, sondern hat phänomenal schöne Lieder geschrieben. Lieder sind ein interessantes Labor, in dem man ausprobiert, wie man erzählt, sie haben eine direkte Verwandtschaft zur Opernbühne. Prinzipiell verstehe ich den Druck nicht, sich zwischen Fächern entscheiden zu sollen. Mein Beruf ist Sänger, meine Aufgabe ist es, Emotionen und Zusammenhänge des Lebens im Gesang zu vermitteln. Daher stehe ich allen musikalischen Formen zur Verfügung.

… Operetten

Obwohl ein Opernsänger seine Grenzen kennen sollte, wäre es schade, Operetten zu meiden. Ich finde sie sehr ansprechend, eine Operette erschöpft sich bei weitem nicht in einer „Kleinoper“ im Sinne von „Kleinmeistern“. Gefühle und Geschehen werden in Echtzeit umgesetzt, die Melodien sind sehr zugänglich und sehr schön, sie wirken insgesamt unmittelbarer, aber sind deswegen nicht weniger wert. Ich finde, alle Sänger sollten sich damit beschäftigen. Übrigens ist das Repertoire sehr schwer zu singen.


… Golf

Das ist mein Hauptsport wie für andere der Fußball. Er hat sehr viele Ähnlichkeiten mit dem Singen: Wenn man keine genaue Vorstellung davon hat, wie der Ball fliegen soll, wird er nicht gut aufkommen, und es bleibt dann reine Glückssache. Die innere Vorstellungskraft ist das Wichtigste, sogar im Leben.


… Älterwerden

Das Altern ist heutzutage generell zu negativ konnotiert. Einiges wird einfacher, reicher, erfüllender; man kann die Anstrengungen der Jugend abstreifen. Man muss sich allerdings immer fragen: Kann ich noch, was ich von mir erwarten? Die Antwort darauf hat nichts mit Alter zu tun.

… Klischees

Davon gibt es viel zu viele. Es kommt öfter vor, dass echtes Wissen und erarbeitete Meinungen gegen Klischees ersetzt werden. Das ist besonders in der klassischen Musik gefährlich, wenn man sie als Produkt behandelt. Man erkennt das immer an diesen Superlativen. Nur wie kann man Marketing von Branding und Kitsch unterscheiden? Sänger arbeiten ja immer mit der eigenen Person, da ist es ganz wichtig, bei der Wahrheit zu bleiben und sich eben nicht in Stereotypen zwingen zu lassen, nur weil sie kommerziell erfolgreich sind. Ich möchte das für mich nicht, sondern versuche nicht zu täuschen. Natürlich, gelobt zu werden, stört niemanden, und ich gebe zu, dass ich der führende amerikanische Bariton bin, aber das ist ja ein Fakt, einfach meiner Erfahrung wegen. Ich überhöhe mich da nicht, sondern werde engagiert von einer Industrie, die meinen Wert erkennt.

… Golden Retriever

Jetzt versetzen Sie mir einen Stich ins Herz. Unser erster mit dem Namen Lenny, der meiner Tochter gehörte, starb in der Weihnachtszeit 2010 mit zwölf Jahren nach einem Lebertumor. Da war ich wirklich traurig. Wir haben dann sofort Lenny 2.0 besorgt, der ist auch ein Sonnenschein, aber mir nicht so nah. Golden Retriever ist die tollste Rasse, die es gibt: Familienhunde, gescheit, treu, schön. Da ich mit Katze und Hund aufgewachsen bin, mag ich beide. Ich bewundere die Selbstständigkeit von Katzen, dafür sind Hunde großzügiger mit ihrer Freundschaft. Überhaupt mag ich Tiere sehr und wünschte, ich wäre öfter im Zoo, um mich mit ihnen unterhalten zu können. Da ist ja immer die Frage: Wer schaut wen an, wer sitzt im Käfig?

… Heimat: Europa oder Amerika?

Rein physisch betrachtet hat Heimat eher mit dem Zuhause zu tun, und das ist dort, wo meine Familie auch ist. Über mein ideelles Heimatgefühl entscheidet meine Herkunft: Ich bin und bleibe Amerikaner. Dort vermisse ich aber die Begeisterung, nach den eigentlichen Ursprüngen zu suchen. Ideologisch erkenne ich meine Wurzeln in Europa: Ich liebe die Vielfalt, denn die ist eigentliche Grundlage des amerikanischen Staates. In den USA aber besteht die Tendenz, zumindest politisch gesehen, eine geschlossene Gesellschaft zu bleiben. Als Künstler ist man unvermeidlich durch die verschiedenen Einflüsse Kosmopolit. Einer meiner Vorfahren, ein Herr Keck, war sogar Deutscher und hat im Revolutionskrieg gekämpft.

… Politik

Meine Pflicht als kultureller Botschafter gilt international; mein Auftrag ist es, die Kunst lebendig zu erhalten. Auf den von ihr vermittelten Kern unserer Werte sollten wir uns besinnen und uns nicht nur auf Entertainment zurückziehen. Künste müssen auch politische Fragen behandeln, denn Moral kann man nicht in Gesetze fassen. Ich weiß nur: Wenn Sie eine menschliche Gesellschaft wollen, bilden Sie sie!

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