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Pianistin Marina Baranova im Interview

„Ich bin einfach verliebt in Debussy“

Seit frühester Kindheit ist die Pianistin Marina Baranova von der Musik Claude Debussys fasziniert. Zum 100. Todestag des Komponisten widmet sie ihm nun ein eigenes Album

vonIrem Çatı,

Wenn man sich mit Marina Baranova über ihr neues Album „Unfolding Debussy“ unterhält, spürt man vor allem eins: Die Begeisterung und Leidenschaft der Ukrainerin für die Musik und das Leben des französischen Komponisten. Das Besondere an diesem Album ist, dass die Pianistin Debussy weitergedacht hat. Eigene Kompositionen sowie die Verwendung verschiedenartiger Instrumente machen die Aufnahme zusätzlich zu einer sehr persönlichen Arbeit.

Frau Baranova, warum ein Debussy-Album?

Marina Baranova: Ich bin einfach verliebt in Debussy. War ich immer schon. Ich habe als Kind schon Debussy gespielt und als ich entdeckt habe, was für Palletten sich da entwickeln, war das eine Offenbarung für mich. Und dann ganz plötzlich, als ich älter wurde, habe ich herausgefunden, dass Debussy ganz anders war und seine Musik möglicherweise auch andere Aspekte hat, die ich als Kind gar nicht wahrgenommen habe. Er hatte so eine komplexe Persönlichkeit, ganz viele Beziehungen, die nicht immer glücklich verlaufen sind und eine Vorliebe für ganz dunkle Poesie. Das hat mich einfach dazu inspiriert, seine Kunst zu überdenken und wieder für mich zu entdecken – aber aus einer ganz anderen Perspektive.

Ihre Liebe zu Debussy haben Sie, wie Sie sagten, schon als Kind entdeckt. Wie kam es denn in dem frühen Alter dazu?

Baranova: Ich habe ganz früh angefangen Klavier zu spielen und meine Lehrerin hat gesagt, dass es mich aufgrund meiner Synästhesie ganz bestimmt sehr inspirieren würde, Debussy zu spielen. Und sie hatte recht, ich war einfach hin und weg und wollte nur noch seine Werke spielen.

Was schätzen Sie besonders an Debussy und seiner Musik?

Baranova: Er hat einfach eine absolut neue Sprache entdeckt. Ich sehe das vor allem in der Minimal-Musik oder den modernen Kompositionen. Und sein Wirken hat auch enorme Spannkraft. Er war ein Wagner-Fan, der mitten im Leben zu Satie gewechselt ist und Satie’s musikalische Einsichten weitergelebt hat. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie gespalten diese Persönlichkeit war.

Debussy hat in seine Kompositionen auch fremdländische Musik eingebaut, sehr impressionistisch komponiert und neue Dinge ausprobiert. Eignen sich seine Kompositionen daher besonders für klangliche Experimente?

Baranova: Ich denke schon, ja. Seine Musik ist ihrer Zeit ja sehr voraus. Was er geschaffen hat, ist eigentlich spektrale Musik, das gab es damals noch gar nicht. Ich denke, dass er versucht hat, klangliche Effekte zu erzielen, die erst heutzutage mithilfe von elektronischer Musik möglich sind. Debussy hat in seinem Kopf etwas gehört, was zu seiner Zeit offensichtlich noch gar nicht umsetzbar war. Und natürlich möchte man deswegen unbedingt die heutigen Mittel, Instrumente oder Klangpaletten ausprobieren.

Marina Baranova
Marina Baranova © Felix Broede

Der Debussy auf Ihrem neuen Album klingt ein bisschen „jazzig“. Mixen Sie auch noch andere Genres mit der klassischen Musik?

Baranova: Für mich ist es ganz schwierig, in Genres zu denken. Ich habe in der Ukraine mit meinen Eltern in einer kleinen Wohnung gewohnt, in der in jedem Zimmer ein Klavier stand. Und in jedem Zimmer wurde unterschiedliche Musik gemacht. Meine Mutter hat klassische Musik unterrichtet, mein Vater hat Jazzmusik gemacht und mein Bruder hat Klarinette und Saxofon gespielt. Deswegen habe ich nie in einzelnen Genres gedacht. Ich verstehe schon, dass andere Menschen Genres hören aber wenn ich Musik mache, dann mache ich einfach nur sehr persönliche Musik.

Woher nehmen Sie sich Ihre Inspiration?

Baranova: Aus den Stücken selbst. Sowohl beim Programm meines letzten Albums „Hypersuites“ als auch bei Debussy habe ich versucht, mich so tief und intensiv mit dem Stück auseinander zu setzen, bis es anfängt, mit mir zu sprechen und mir sagt „ganz genau“. Oder zumindest bis mir klar ist, in welche Richtung ich gehe. Und wenn das nicht passiert, lasse ich das Stück entweder unverändert oder wähle ein anderes.

Dadurch geben Sie den Stücken auch einen eigenen Klang. Wie wichtig ist es Ihnen denn, dass in den Stücken, die Sie bearbeiten, noch ein Teil von Ihnen drin steckt?

Baranova: Immer wenn man Musik spielt, ist es ein Stück vom Interpreten. Auch wenn man die Notation nicht verändert oder dem Text ganz treu bleibt, ist es trotzdem immer eine persönliche Ansicht. Ich denke, das was ich mache, ist eine erweiterte Form des Interpretierens und ein Überdenken des Stücks. Ich spiele ein Stück und versuche es wirklich komplett anders darzustellen, um etwas Neues zu entdecken und neue Inspiration zu finden. Das ist meine Vorgehensweise.

Wie wichtig ist es Ihnen, Musik weiterzudenken und mit Musik zu experimentieren?

Baranova: Lebenswichtig. Das ist notwendig wie die Luft zum Atmen. Das ist die Essenz meines Lebens.

Debussy wird im Allgemeinen auf seine Werke „Claire de Lune“ und „L’après-midi d’un faune“ reduziert. Wird ihm das überhaupt gerecht?

Baranova: Es ist immer ungerecht, wenn ein Komponist reduziert wird. Andererseits gibt es Menschen, die nicht wirklich wissen, wer Debussy ist, aber „Claire de Lune“ kennen und dann sagen „Ich liebe Debussy, der ist super“. Möglicherweise werden sie dann weitere Stücke von ihm für sich entdecken. Wobei das natürlich eine Erwartung ist. Man erwartet dann, dass alle Stücke von Debussy so sind wie „Claire de Lune“ dabei ist das ist ein ganz, ganz minimaler Bruchteil seines Schaffens.

Auf Ihrem neuen Album haben Sie auch viele verschiedene Instrumente ausprobiert. Wie kam es dazu?

Baranova: Sehr zufällig. Ich habe beispielsweise in dem Studio, in dem ich aufgenommen habe, auf einem Harmonium gespielt, das da stand – und war fasziniert. Im Zimmer eines Kollegen stand ein Fender Rhodes und ich wusste sofort, was das ist und habe es in meine Stücke eingebaut. Das war tatsächlich eine glückliche Fügung. Und von dem Instrument Una Corda war ich einfach hin und weg, als ich es zum ersten Mal gehört habe. Irgendwie hat man so einen Traumklang im Kopf, wie ein Klavier klingen sollte und plötzlich sitzt du vor einem Klavier und hörst diesen Klang. Ich konnte das gar nicht glauben. Es ist wirklich ein unglaubliches Instrument.

Ich habe auch den Flügel nicht so gelassen, wie er ist, sondern präpariert. Der scheppert und macht komische Geräusche, das war mir einfach alles sehr wichtig im Gegensatz zu den ganz klassischen Aufnahmen, die ein wenig steril klingen. Ein Una Corda ist gar nicht steril und mit einer gewissen Textur – so war das auch gewollt und auch gedacht. Das macht wahnsinnig viele Geräusche, es klappert, es hat Saiten, Tasten und die ganze Mechanik ist offen. Die verschiedenen Instrumente sind alle Unikate und ich denke, es ist ganz spannend darüber nachzudenken, dass es heutzutage ganz verschiedene Tasteninstrumente gibt. Ich glaube, wenn Debussy heute leben würde, würde er sich auch dafür begeistern und sie in seine Musik einbinden.

Sie singen auch auf Ihrem Album.

Baranova: Super unerwartet (lacht). Damit habe ich gar nicht gerechnet. Ich habe einfach einen Song komponiert und wollte unbedingt mit anderen Sängern zusammenarbeiten. Dafür habe ich ein Demo aufgenommen, damit die Sänger, die ich anfrage, wissen, wie ich mir das vorstelle. Und mein Label und meine Freunde haben mein Demo gehört und meinten „Mach das selbst. Das klingt sehr persönlich“. Ich bin einfach unfassbar glücklich, dass es so gekommen ist und ich die Songs selbst eingesungen habe, weil man die Erfahrung, die ich mit dem Gesang machen durfte, nur mit dem Fliegen vergleichen kann.

Marina Baranova über ihr neues Album „Unfolding Debussy“:

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